Text: Elsbeth Hobmeier
Subtilität & Tiefgründigkeit. Vom Ufer des Lac Lémans kommen viele grosse Terroirweine. Der Chasselas beweist hier sein grosses (und teilweise noch immer verkanntes) Potenzial. Gerade die renommierten Lagen wie Dézaley, Yvorne, Calamin und Saint-Saphorin überzeugen mit Subtilität, Finesse und Tiefgründigkeit. Aber auch in den nördlichen Côtes de l’Orbe bringen die dortigen Tonböden meisterhafte Weine hervor. Entscheidend ist hierfür nicht nur das Terroir allein, sondern auch das Können der Winzerinnen und Winzer. 24 davon zählen für GaultMillau zu den Top 150 der Schweiz, neu in der Liste ist der Waadtländer Betrieb La Cave des Moines aus Villeneuve. Hier wurde seit 1880 das Know-how von einer Generation zur nächsten weitergereicht, heute ist der junge Serge Diserens (grosses Bild oben) am Ruder und führt das Weingut in die Zukunft.
Der Blick zurück. Drei Persönlichkeiten haben die Weingeschichte des Waadtlands in den letzten Jahrzehnten entscheidend geprägt und wurden für ihr Wirken von GaultMillau bereits in den «Adelsstand» einer Ikone erhoben: Es sind dies Louis-Philippe Bovard in Cully; Henri Cruchon in Echichens bei Morges und Violaine und Raymond Paccot in Féchy. Bei Cruchon und Paccot ist inzwischen die nächste erfolgreiche Generation am Werk, Louis-Philippe Bovard hält immer noch selber die Stellung in seinem Unternehmen.
Der Chasselas ist König. Auf den traumhaft gelegenen Terrassen über den Lac Léman wächst vorwiegend Chasselas, der wie angetönt hier all seine Facetten ausspielt. Im Chablais herrscht als Terroir steiniges Geröll vor, während die als Unesco-Weltkulturerbe klassifizierten Lagen des Lavaux von den steilen terrassierten Hängen profitieren. Im Dézaley verleihen die Nagelfluhbänke dem Wein eine mineralische Note, während die La Côte auf Moränenböden ruht. Neben dem Chasselas werden im Waadtland auch Pinot noir, Garanoir, Gamaret und Chardonnay kultiviert, um nur einige Sorten zu nennen. Dazu gesellen sich immer öfter neue, pilzresistente Varietäten.
Die ausgezeichneten Winzerinnen und Winzer:
Rodrigo Banto
Die Cave de La Côte vereint rund 300 Winzer auf über 450 Hektar, was einem Viertel des Weinbaugebiets La Côte entspricht. Sie existiert seit 1929 und ist stolz auf ihre 400 verschiedenen Weine, zu denen auch bekannte Domaines wie Château de Malessert, Château La Bâtie, Domaine Kursner und Château d’Echichens gehören. Geleitet wird die Kooperative vom renommierten Chefönologen Rodrigo Banto.
Louis Blondel
Zusammen mit seiner Frau Charlotte hat Louis Blondel die Leitung des Familienweinguts im Lavaux übernommen. Aushängeschilder sind der «Dézaley Grand Cru Côtes des Abbayes» und der «Grand Cru Dézaley Prestige». Der Name Blondel in Cully steht für Chasselas-Spitzencrus aus dem Lavaux, die auf 7,5 Hektar angebaut werden.
Philippe Bovet
Er fällt auf mit seiner grossen Kollektion von über 30 verschiedenen Weinen. Und mit den Etiketten der Dark Line und der Ligne Philippe Bovet. Chasselas und Gamay sind seine Lieblinge, aus Chasselas macht er den «Léman blanc», aus Gamay den «Pacifique» und den «Atlantique». Die Cave Philippe Bovet in Givrins am Jurafuss besteht seit 20 Jahren.
Jean-François und Benjamin Chevalley
Vom Vater zum Sohn: Dies ist in der Familie Chevalley auf der Domaine de la Chenalettaz in Dézaley schon seit 22 Generationen der Brauch. Vater Jean-François und Sohn Benjamin erzeugen auf ihren extrem steilen und besonnten Rebbergen beste Grands Crus wie die «Réserve du Margis» und den «Chenalettaz Rouge».
Jean-Daniel Coeytaux
Das Weingut in Yens oberhalb von Morges, La Côte, ist von A bis Z eine Familienangelegeheit. Vom Anbau der Reben über die Weinbereitung bis zum Direktverkauf werden sämtliche Arbeiten auf dem Hof erledigt. Alle Chasselas tragen das Prädikat Grand Cru. Bemerkenswert auch der Pinot noir und der Schaumwein «Vin Joyeux».
Christelle Conne
Mitten im Weindorf Chexbres liegt das Weingut der Familie Conne, welche mit ihrem auf der Hefe ausgebauten «Le Sémillant» und dem Klassiker «Leurs Excellences de Berne» weitherum bekannt wurde. Seit gut zehn Jahren führt Tochter Christelle Conne das Gut Cave Champ des Clos und seine Aushängeschilder weiter.
Serge Diserens (neu)
Bei den Diserens wurde das Know-how stets vom Vater an den Sohn weitergegeben. Heute führt Serge als in Changins ausgebildeter HES-Ingenieur die Domaine Des Moines in Villeneuve. Auf 5,5 ha der Appellation Villeneuve werden Spezialitäten wie Chasselas, Pinot gris,, Pinot noir und Malbec auf unterschiedlichen Terroirs und Höhenlagen kultiviert. Bemerkenswert: «Chasselas Clos des Mennettes», die rote «Cuvée Napoleon III.» und der «Blanc de Blancs Eloïse».
Blaise Duboux
Die Winzerfamilie Duboux ist seit Jahrhunderten mit dem Lavaux verbunden. Blaise Duboux führt mit grossem Einsatz und viel Können das herrlich gelegene Gut in Epesses und pflegt seine Reben biodynamisch. «Dézaley Haut de Pierre Grand Cru» und «Dézaley rouge Le Treillant» punkten mit hoher Mineralität.
Christian Dugon
Der Winzer aus Bofflens hat die Côtes de l’Orbe und Bonvillars salonfähig gemacht. Er ist ein neugieriger und experimentierfreudiger Rebbauer, immer wieder überrascht er mit neuen Sorten. Nach Divico, Doral und Mara sind es jetzt Cornarello und Merello.
Christian Dupuis
Er bewirtschaftet 9 Hektar Rebland in Féchy. Aus Viognier und Gamaret kreuzte Christian Dupuis eine eigene Rebsorte und nannte sie Violier als Hommage an den verstorbenen Spitzenkoch. Bemerkenswert sind auch seine verschiedenen Chasselas, den er in fünf Spielarten vinifiziert.
Les Frères Dutruy
Die Brüder Christian und Julien Dutruy führen als Duo das biologische Familiengut in Founex, das einst vom Urgrossvater gegründet wurde. Auf steilen Lagen und auf 26 Hektar Rebland kultivieren sie Chasselas der Spitzenklasse sowie die Réserves der Prestige-Linie Les Romaines. Mit verschiedenen Spitzenköchen kreieren sie auch eigene Abfüllungen.
Noémie Graff
Maximale Sorgfalt im Rebberg, minimale Eingriffe im Keller, so lautet die Devise dieser Winzerin, die Geschichte, Latein und Önologie studiert hat und nun mit ihren Rotweinen Leuchttürme setzt. Ihre Stars mit den schön gezeichneten Labels heissen Gamay, Carminoir und der Pinot noir «Le Satyre». Sehr interessant auch die alte rote Sorte Mondeuse.
Marco & François Grognuz
Markenzeichen von Vater und Sohn von der Cave des Rois in Villeneuve, welche ihre Trauben sowohl im Lavaux wie auch im Chablais und im Wallis pflegen, ist der frische Sauvignon Blanc und das Flaggschiff Syrah St-Saphorin.
Domaine Kursner
Das prestigeträchtige Weingut in Féchy wurde von der Familie Kursner unter die Obhut der Cave de la Côte gestellt. Unterstützt von Rodrigo Banto wird es seit diesem Jahr von Fabien Coucet als Kellermeister und Geschäftsführer geleitet. Die Flaggschiffe: «Chasselas Premier Grand Cru au Brez», der intensive Viognier und der «Rouge Absolu».
Pierre-Luc Leyvraz
Der grosse Meister des Chasselas, Pierre-Luc Leyvraz, hat das AHV-Alter erreicht und darum eine Nachfolge gesucht. Er fand sie bei seinen Nachbarn, der Familie Jomini. Sie übernehmen das Gut, streben vorerst keine Veränderungen an, auch nicht beim Saint-Saphorin «Les Blassinges Grand Cru», der zu den Top-Weinen der Schweiz zählt.
Pierre & Basile Monachon
Vater und Sohn Monachon haben den Mut, klein zu bleiben und auf ihren nur drei Hektar Rebland in Rivaz, dem kleinsten Winzerdorf der Schweiz, ganz grosse Weine zu machen. Allen voran ihre weissen Chasselas «Saint-Saphorin Grand Crus» wie den rassigen Dézaley «Les Côtes-Dessus».
www.domainemonachon.ch
Benjamin Morel
Auf Château de Valeyres in Valeyres-sous-Rances, einem imposanten Schloss mit besten Reben, wirkt Benjamin Morel. Mit dem befreundeten Rebmeister Frédéric Hostettler hat er die Linie Confidentiel kreiert sowie das neue Label Germination aus interspezifischen Sorten wie Sauvignac, Divico und Muscaris.
Jean-François Neyroud-Fonjallaz
Der Ausblick von diesem Weingut in Chardonne ist magisch. Er beflügelt Jean-François Neyroud zu hervorragenden Chasselas wie den «Calamin Grand Cru Epesses» und den «Chardonne Les Berneyses». Mit am Werk sind bereits die Söhne Basile (Önologie) und Jonas (Rebbau).
Laura Paccot
Sie zählt zu den jungen Winzerinnen, von denen man immer öfter spricht. Laura Paccot übernahm in vierter Generation das renommierte Gut La Colombe in Féchy von ihren Eltern Raymond und Violaine Paccot, zwei Pionieren der Biodynamie. Ihre Grand Crus «Bayel» und «Brez» zählen zu den allerbesten Chasselas, die «Colombe Rouge» ist ebenfalls top. Interessant: der Pinot noir «Girarde».
Alain Pelichet
In 7. Generation bearbeitet Alain Pelichet die Böden des Familienguts Mon Pichet in Féchy. 70 Prozent ist mit Chasselas bestockt. Sein traditioneller Chasselas besticht mit Lindenblüten- und Akazienaromen, der Grand Cru aus der Lage Crêt de Bayel ist komplex und intensiv. Bei den Roten brillieren Merlot und Syrah.
Solange, Lucie und Tristan Perey
Mit Einsatz und Erfolg bewirtschaften die drei Geschwister die Reben beim Schloss Vufflens-le-Château sowie die Domaine des Abesses in Echandens. Topweine liefert der Clos Bellevue la Balle, Aufmerksamkeit verdient die «Vase M» aus alten Chasselas-Rebstöcken sowie die weisse Altesse.
Charles Rolaz
Charles Rolaz kann als Önologe des Hauses Hammel aus dem Allerbesten wählen. 25 Rebsorten und eine Reihe von Vorzeigegütern wie Domaine de Crochet in Mont-sur-Rolle, Clos du Châtelard in Villeneuve und Clos de la George in Yvorne stehen ihm zur Verfügung. Die Liste seiner Grand Crus ist eindrücklich.
Ville de Lausanne
Die Domänen der Stadt Lausanne zählen zu den schönsten im Waadtland. Sie umfassen 33 Hektar in drei AOC-Lagen: Clos des Moines, des Abbayes, Burignon, Rochefort und L’Abbaye de Mont. Als verantwortlicher Winzer zeichnet Luc Dubouloz. Neben den bekannten Traditionsweinen verdient die «Sélection L» Aufmerksamkeit.
Maude Vogel
In der Domaine Croix Duplex in Grandvaux, mit 30 Hektar eines der grössten Weingüter im Lavaux, hat Maude Vogel nach zehn Jahren gemeinsamen Tuns mit ihrem Bruder die Leitung übernommen. Ihre Palette umfasst 31 Weine. Neben schönen Roten sind dies allein zehn Chasselas, darunter der Spitzenwein «Argile Dézaley Grand Cru».
Fotos: David Carlier, Hans-Peter Siffert, Monika Flückiger, Nik Hunger