Text: Anita Lehmeier | Fotos: Sarah Vonesch, Thomas Buchwalder
DIE REGIONALMEISTERINNEN. «Mein Job war das reinste Rosinenpicken. Ich konnte unter den Besten aussuchen», schwärmt Weinexperte Geny Hess. Seine Aufgabe an der GaultMillau-Garden Party: zum Essen der 21 Starchefs (geballte 351 Punkte!) die besten Weine auswählen. Noch besser: die besten Winzerinnen aus den sieben Schweizer Weinregionen. So viel Frauen-Power in Sachen Wein war hierzulande noch nie auf so kleinem Raum versammelt wie am Pool des Grand Resort Bad Ragaz. «Nach gut einer Stunde war mein Job erledigt, alle meine Wunschkandidatinnen hatten zusagt, spontan. So konnten wir aus allen Regionen die feminine Seite präsentieren», sagt Hess. Neben den Grandes Dames Martha Gantenbein und Marie-Thérès Chappaz waren bekannte Namen wie Emilienne Hutin, Annatina Pelizzatti und Anna-Barbara Kopp von der Crone vertreten und auch aufstrebende Talente wie Laura Paccot, Annie Rossi und Lisa Schmidheiny. Jede Winzerin hatte zwei bis drei ihrer persönlichen Lieblingsweine mitgebracht, jede war mit rund 50 Flaschen angereist. Am Abend waren die meisten Weissweinflaschen ausgetrunken – für Roten waren die Temperaturen einfach zu hoch.
INFO-TAUSCHBÖRSE. Die meisten der Winzerinnen kennen sich gut und seit langem, die Hälfte von ihnen sind zudem Stammgäste an der Garden Party. Alle nutzten die Gelegenheit zum Austausch untereinander und dem Connecten mit den Gästen – ein wichtiger Teil ihres Jobs, wie alle beteuern. Zum ersten Mal am kulinarischen Grossevent dabei waren Marie-Thérèse Chappaz («Ich habe mich sehr auf das tolle Essen gefreut»), Anna-Barbara Kopp von der Crone (in Begleitung von Partner Paolo Visini) und Annatina Pelizzatti, quasi in Vertretung ihrer Tochter Laura: «Sie ist der Boss, war aber leider verhindert» und Laura Paccot, die in Begleitung ihres berühmten Vaters Raymond kam. Er erzählt: «Unser Betrieb ist eine klassische Familienangelegenheit und jetzt in der vierten Generation. Wir alle helfen Laura, der jüngsten der drei Schwestern, bei der Betreuung ihrer zwei kleinen Kinder. Wie Nancy Pelosi schon meinte: Wer neben dem Job Kinder aufzieht, kann danach jede Firma leiten, auch jede Regierung.» Laura brachte einen typischen Chasselas mit, den Amédé, benannt nach dem Herzog von Savoyen.
DEN WEIN IM BLUT. Auch bei Emilienne Hutin ist das Winzern eine Erbsache, die Pionierin vom Genfersee ist in fünfter Generation aktiv, zusammen mit ihrem Mann Pierre-Yves Zumbach. Und ihr zweitgeborener Sohn Guillaume, 30, hängt nach seiner Patissier-Lehre nun eine Weinausbildung an und steht in den Startlöchern.
Familienweingut Höcklistein. Die Winzerei liegt auch Lisa Schmidheiny im Blut, seit 2018 arbeitet sie im Familienweingut Höcklistein in Rapperswil/Jona am Zürichsee mit. Die Innenarchitektin sattelte auf die Landwirtschaft um, absolvierte die Bäuerinnen-Schule. «Ich liebe Pflanzen, das Arbeiten mit der Natur ist für mich Meditation.» Sie brachte vom Höcklistein einen Chardonnay, einen Pinot Noir und den für die Gegend typischen Räuschling mit. Besonders stolz ist sie auf ihren «Lisas Rosé am See», den ersten Rosé überhaupt aus dem Betrieb. «Weil es davon es wenig gibt, habe ich ihn nicht zur Garden Party mitgenommen», gesteht Lisa Schmidheiny; sie ist Verwaltungsrätin des Grand Resorts Bad Ragaz.
Marie-Thérèse Chappaz testete alle. Fragt man Marie-Thérèse Chappaz nach dem Geheimnis ihrer Kunst, sagt sie ganz bescheiden: «Ich habe schöne Rebberge, ein wundervolles Terroir. Meine ältesten Reben sind 98 Jahre alt». Im zarten Alter von 18 Jahren habe sie vom Vater einen Rebberg bekommen, ihr erster Berufswunsch Hebamme wurde quasi darin begraben. Die Pionierin stellte 1997 auf biodynamischen Anbau um, 2003 erhielt sie das Bio-Zertifikat. Seit dreissig Jahren ziert ihr stilisiertes Konterfei ihre Flaschen, das Foto stammt von Designer Roger Pfund. «Ich wollte auf meinen Weinen präsent sein, aber nicht auf den ersten Blick zu erkennen», sagt die stylische Lady mit den himmelblauen Augen und der königsblauen Brille. Die Garden Party ist eine Premiere für Madame Chappaz. So viele Starchefs auf einen Streich habe sie sich nicht entgehen lassen wollen. Sie habe sich mit grossem Vergnügen durch mindestens zehn Stationen durchprobiert. Die Kreation aus Erbse, Minze und Pistazie vom «Magdalena»-Chef Dominik Hartmann aus Rickenbach SZ habe ganz wunderbar mit ihrem «Grain Sauvage», einem Humagne Rouge, harmoniert.
LOKALMATADORIN. Die kürzeste Anreise hatte Martha Gantenbein aus Fläsch/GR, sie war bei allen vier Ausgaben der Garden Party zu Gast. Sie hat ihren Mann Dani mitgebracht, mit dem sie vor genau vierzig Jahren den ersten gemeinsamen Jahrgang geschaffen hatte - und ausserdem elf Magnum-Flaschen ihres Chardonnay 2016. «Dieser ist jetzt optimal, er präsentiert sich offen, mit gutem Reifepotenzial.» Martha Gantenbein ist voll des Lobes für die neue Weinwelt. «Diese ist vielfältiger, interessanter geworden. Die Menschen haben generell heute so viele Möglichkeiten, und sie nutzen sie. Gerade auch die Winzer. Viele Betriebe wagen heute Neues, gehen unbeirrt ihre eigenen Wege. So wie Dani und ich das immer gemacht haben. Wir waren extrem jung und total angstfrei. Uns hat immer die Neugier getrieben, der Wille, Wein zu machen, der uns selbst schmeckt.»