Text: Elsbeth Hobmeier | Fotos: Nik Hunger, Hans-Peter Siffert
Willkommen in meiner neuen Wein-Schweiz. Dieser Titel sorgte im The Dolder Grand in Zürich für volles Haus. Stephan Reinhardt, Herr über die Verteilung der Parker-Punkte für die Schweiz, Deutschland, Österreich und Elsass bat zur «Masterclass». Neue Wein-Schweiz? «Ja, die Weinszene hierzulande ist im Umbruch. Dank einer neuen Generation von Winzern mit einem ganz anderen Zugang zum Wein», erklärt er. Er habe noch nie zuvor so viele junge Talente entdeckt wie gerade in den letzten zwei Jahren. Beispiele bitte? «Laura Paccot in der La Côte, Myra Zündel im Tessin, Olivier Pittet im Wallis, Etienne Javet im Vully, Catherine Cruchon in der Waadt…» Gerade Catherine Cruchon sei ein perfektes Beispiel: Renommiertes Familiengut im Rücken, viel gereist, jetzt grosses Faible für Naturweine: «Die sind ausgereift, da ist nix Wildes, die machen Spass», schwärmt der Deutsche. Er kennt die Schweizer Weingüter sehr gut, aber hat die wenigsten Regionen selbst besucht: «Die Rebflächen sind derart verstreut. Ich konnte mir noch nie zwei Monate Zeit zum Herumreisen und Entdecken nehmen», bedauert er. Grosses Potenzial sieht Reinhardt im Dreiseenland: «Die Winzer am Bieler-, Neuenburger- und Murtensee haben sich vom burgundischen Vorbild gelöst und einen eigenen Ausdruck gefunden. Das ist spannend und eindrücklich». Grosses Bild oben: Die Walliser Topwinzerin Marie-Thérèse Chappaz.
Keine Masterclass ohne Chappaz. Der Konferenzsaal im The Dolder Grand war bis auf den letzten Platz besetzt, als Stephan Reinhardt acht seiner neusten Trouvaillen vorstellte. Er habe im Februar in Zürich über 400 Weine verkostet und bepunktet. Diese acht - sie funkelten in den Gläsern vor jedem Teilnehmenden - seien ihm besonders aufgefallen, weil sie seinem Schweizer Wein-Bild perfekt entsprechen: «Es sind alpine Weine, gradlinig, frisch, authentisch. Und Vorboten einer neuen, selbstsicheren, talentierten Weinszene». Im Glas: Ein frühlingshafter, zarter Riesling 2020 von Mario Chanton in Visp (92 Punkte). Eine Assemblage von Sylvaner und Muscat 2019 von Marie-Thérèse Chappaz in Fully (93 Punkte). Eine unfiltrierte, unkonventionelle Mirage d’Arvine 2021 der (noch) unbekannten O Fâya Farm in Saxon (93-94 Punkte). Einen puristischen, kühlen Merlot Sass 2019 von Myra Zündel im Tessin (93+ Punkte). Den faszinierenden, ausdrucksvollen Nihilo Nature 2020 von Catherine Cruchon (92 Punkte). Den klaren, fruchtigen Pinot Noir 2019 von Sven Fröhlich in Malans (93 Punkte). Den noch leicht reduktiven Pinot noir 2019 von Tom Litwan im Aargau (93+); und den voll ausgereiften, finessenreichen Syrah Quintessence 2019 von Benoît Dorsaz aus Fully. Neben den bestens bekannten Spitzenwinzern Dorsaz und Chappaz also lauter junge Talente. «Ohne Chappaz gibt es bei mir nie eine Masterclass», sagt Stephan Reinhardt, «sie ist immer wieder für Überraschungen gut!».
Klassentreffen der Besten im Dolder. Im grossen Foyer des The Dolder Grand am Zürichberg trafen sich die Winzer aus aller Welt und schenkten ihre Weine aus. Eintrittshürde: über 90 Parker-Punkte mussten es schon sein. Der Publikumsandrang war riesig. Auch vor den Ständen der Schweizer Winzerinnen und Winzer standen die Menschen Schlange. Die Spitzenreiter auf der neuen Parker-Liste: Marie-Thérèse Chappaz (98 Punkte!); Martin Donatsch (96 Punkte); Gérald Besse, Alexandre Delétraz, Benoît Dorsaz, Daniel und Martha Gantenbein, Didier Joris, Tom Litwan, Maison Blanche, Weingut Sprecher von Bernegg, Thomas Studach (alle 95 Punkte); Adank, Agriloro, Bachtobel, Caloz, Chambleau, Chanton, O Fayâ Farm, Fontannaz, Fromm, Maye, Mercier, Möhr-Niggli, Obrecht, Pelizzatti, Weingut Riehen, Von Tscharner, Vessaz/Javet, Wegelin, Zündel (alle 94 Punkte).