Text: Siméon Calame I Fotos: Hans-Peter Siffert
Geschlossene Restaurants? «Das war nicht schwierig. Es war ganz einfach ein Desaster.» Sagt der Winzer, unter dessen Kunden die Wirte mit 70 Prozent den Löwenanteil ausmachen, während es bei den anderen Winzern im Schnitt nur etwa 30 Prozent sind. Da begreift man sofort, dass die letzten zwei Jahre mit ihren Einschränkungen alles andere als beruhigend waren für Alexandre Delétraz von der Cave des Amandiers in Saillon. Aber das ist noch nicht die ganze Wahrheit: Er, der Küchenstars wie Franck Giovannini (19 Punkte), Jérémy Desbraux (18 Punkte) und auch Didier de Courten (17 Punkte) beliefert, verkauft seine Weine nie, bevor sie nicht mindestens ein Jahr lang gereift sind. «Ich sehe meine Weine wie einen guten Käse: die Zeit, die man ihnen lässt, ist weit mehr als wohltuend», sagt der Mann, der 2013 der erste GaultMillau-«Rookie des Jahres» wurde. «Für mich gibt es keinen grossen Weinberg, der nicht grosse Lagerweine vorweisen kann.» Der philosophische Alexandre riskiert lieber einen Lieferengpass als dass er schlechten Wein verkauft.
13 Jahre Reifung. Für einen Weisswein! Ein gutes, aber auch extremes Beispiel ist seine Cuvée Safran, eine Petite Arvine, die 13 Jahre im Eichenfass gereift ist! Diesen Winter war sie dann endlich bereit, diese süsse Cuvée. Für ihn ist sie zudem eine Art Symbol, zählt sie doch zu den allerersten Weinen, welche die Cave des Amandiers im Jahr 2008 ernten konnte. Angefangen hatte Alexandre Delétraz mit einigen gemieteten oder gekauften Parzellen in Fully und Saillon. Nach und nach stieg er vom Nichts zum «Neu-Winzer» auf. «Ich habe den Eindruck, dass die junge Generation weit bewusster umgeht mit der Umwelt und der Natur», schätzt er. «Das heisst nicht, dass sie immer biodynamisch arbeiten, aber dass sie das Terroir, die Besonderheiten der verschiedenen Lagen und die dorthin passenden Rebsorten mehr beachten». Heute kultiviert Alexandre sieben Hektaren Land, die er allmählich von rund 70 Personen kaufen konnte.
Sieben Petites Arvines. Am besten zeigen sich die feinen Unterschiede unter den Parzellen und den Böden der Cave des Amandiers am Beispiel der Rebsorte Petite Arvine. Je nach Jahrgang macht Delétraz bis zu sieben verschiedene Crus. Die Kraft des Bodens will er auch mit einer respektvollen Pflege der Reben unterstützen. «Ich bin mir bewusst, dass meine Zeit auf Erden begrenzt ist. Ich bearbeite den Boden, der nicht wirklich mir gehört, ich bin nur eine Art Fährmann, welcher der nächsten Generation gesunde Reben weitergeben will,» sagt der gebürtige Genfer. Seine ersten Versuche in dieser Richtung waren ein Risiko, aber sie entpuppten sich als Erfolg. Weil er sich auf möglichst wenige Eingriffe beschränkt, nennt er seine Weine gerne «grenzwertig» - es ist wahrlich eine Geschichte des Risikos.
Das liegt im Keller: Weiss: Ermitage de Fully, Fendant, Heida, Petite Arvine de Fully, Petite Arvine En Anzé, Petite Arvine Les Seyes. Rot: Gamay d’Euloz (vieilles vignes), Gamay de Fully, Humagne Rouge, Syrah, Syrah Les Tatzes,
Coup de Coeur: «Das hängt vom Jahrgang ab. Aber der Gamay d’Euloz 2020 ist wirklich ein grosser Wein», lacht Alexandre Delétraz.
Das passt zusammen: «Ich stelle mit einen super frischen Frisch vor, vielleicht eine Dorade. Dazu gebe ich ein wenig Zitrusfrucht und trinke dazu eine ebenso frische Arvine. Es stehen mehrere zur Wahl!»
Drei Chefs mit Weinen von Alexandre Delétraz: Franck Giovannini im Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier (19 Punkte), Jérémy Desbraux im Maison Wenger in Noirmont (18 Punkte) und Didier De Courten im l’Atelier Gourmand in Sierre (17 Punkte).