Text: David Schnapp Fotos: HO
70 Jahre Kooperation. Seit 70 Jahren arbeiten die Familien Antinori und Bindella zusammen. Das führende Familienunternehmen für Italienischen Wein und der grösste Familien-geführte Gastronomieanbieter der Schweiz betreiben gemeinsam Restaurants in Zürich und am Flughafen (grosses Bild oben), und Bindella importiert exklusiv die Antinori-Weine, die mittlerweile auf 2500 Hektaren Rebbergen in ganz Italien angebaut werden. Kürzlich trafen sich die beiden Patrons Rudi Bindella und Antinori-CEO Renzo Cotarella bei einem Anlass in der Zürcher Barfussbar in Zürich zum Gespräch über Familie und Wein.
Renzo Cotarella, können Sie sich noch an Ihr erstes Glas Wein erinnern?
Cotarella: Ich war etwa sieben Jahre alt und durfte im familieneigenen Weinberg eine Art vergorenen Traubenmost mit wenig Alkohol probieren. Von da an bin ich immer auf dem Schulweg beim Kellermeister vorbei, um etwas von dem Most zu bekommen. Das ist mir bis heute in Erinnerung.
Wie war das bei Ihnen, Rudi Bindella?
Bindella: Mit 22 Jahren wurde mir am Familientisch gestattet, ein Glas Burgunder zu trinken. Aber ich habe lange gebraucht, bis ich mich an das Trockene des Weines gewohnt hatte.
Wenn man Experten zuhört, scheint das Trinken von Wein bisweilen eine herausfordernde intellektuelle Übung zu sein. Wie gehen Sie mit Fachurteilen über Ihre Produkte um?
Cotarella: Ich werde mich hüten, etwas über Weinexperten zu sagen. Jeder sieht einen Wein mit den eigenen Augen, und was jemand über einen unserer Weine denkt, möchte ich nicht diskutieren. Es gibt so viele Weine auf der Welt, dass es genug Raum für jeden Geschmack gibt. Und wenn jemand einen Wein nicht mag, kann ich das gut akzeptieren. Nur manche Kritik, die ich als oberflächlich empfinde, kann ich nicht nachvollziehen.
Sie sind seit 40 Jahren für die Antinoris tätig, wie wichtig ist die Familie für Ihre Arbeit?
Cotarella: Im Falle von Antinori macht die Familie den entscheidenden Unterschied zu anderen Weinproduzenten. Die Familie entscheidet über den Stil der Weine und der Weingüter. Die Familie ist der konstante Faktor, während Önologen wie ich kommen und gehen.
Bindella: Familienunternehmen arbeiten auf einer ganz anderen Zeitachse. Mit Managern, die das Unternehmen nach drei Jahren wieder verlassen, lassen sich keine langfristigen Werte etablieren. Um es mit einem bodenständigen Bild auszudrücken: Uns Familienunternehmer interessieren die Kühe und die Anzahl Liter Milch, die sie geben. Einen Manager interessieren nur die Anzahl Liter, während wir die Kuh auch gut und gesund ernähren wollen.
Der Unterschied ist, Rudi Bindella übergibt das Unternehmen an seine Kinder. Sie, Herr Cotarella, müssen ganz anders loslassen, oder?
Das stimmt, ich kann nur hoffen, dass ich das Unternehmen im gleich guten oder besseren Zustand hinterlassen werde, als ich es übernommen habe. Wo ich mit Rudi Bindella absolut übereinstimme, ist, dass ein Unternehmen beseelt werden muss. Es gibt eine materielle, aber auch eine immaterielle Hinterlassenschaft. Ich gebe aber auch zu, loslassen fällt mir schwer. Diese Arbeit ist die Liebe meines Lebens und nicht einfach bloss ein Job.
Die Antinoris und die Bindellas arbeiten seit 70 Jahren erfolgreich zusammen, hätte das auch funktionieren können, wenn nicht zwei Familien kooperiert hätten?
Bindella: Das hätte schon funktionieren können, dann wären vermutlich die harten Kriterien, die Zahlen im Vordergrund gestanden. Aber wenn man zum Beispiel ein Restaurant zusammen betreibt, geht es nicht alleine um Zahlen. Solche Projekte sind auch Investitionen in die Langfristigkeit einer Beziehung.
Welche Werte stehen eigentlich im Zentrum des Antinori-Imperiums?
Cotarella: Eine der wichtigsten Werte bei Antinori ist die Verbundenheit mit dem Boden und die Beziehungen zu den Menschen, die ihn bewirtschaften. Wir verstehen uns als Bauern und Winzer, und nicht als grosse Maschine. So stellen wir sicher, dass wir Weine machen, die wir selber mögen.
Wie wirkt sich das auf die gemeinsame Zusammenarbeit aus?
Bindella: Mit Antinori ist es so: Immer dann, wenn wir eine grosse Anstrengung erfolgreich geleistet haben, und uns zum Ausruhen auf einen Stuhl setzen möchten, wird er uns weggezogen. Die nächste Aufgabe wartet. Es ist eine fordernde und immer interessante Partnerschaft, die sich laufend weiterentwickelt.
Was ist ein Wein, den Sie selber gerne trinken?
Cotarella: Ich finde ganz allgemein, dass Weine Spass machen sollten. Es ist wie bei Beziehungen zwischen Menschen: Man verbringt den Abend lieber mit Leuten, mit denen es Freude macht, zusammenzusitzen. Unser Ziel sind Weine mit Charakter, die nicht zu schwer sind – also so, wie es bei den Menschen auch ist… (lacht)
Rudi Bindella, wie beurteilen Sie das Portfolio von Antinori zurzeit?
Bindella: Marchese Antinori finde ich persönlich geschmacklich herausragend: Man bekommt seidige Eleganz zu einem attraktiven Preis. Aus geschäftlicher oder gastronomischer Sicht sind die Produkte der Toskana und der Maremma zurzeit am interessantesten. Hier entstehen faszinierende Weine aus internationalen Rebsorten. Sie sind attraktiv, bekömmlich und zugänglich. Irgendwann wird es aber wohl ein Kapazitätsproblem geben. Man wird sehen, wie die internationale Nachfrage mittelfristig befriedigt werden kann.