Text: Stephan Thomas I Fotos: Nik Hunger

Romandie einfach. Mit sechzehn ist Aurélia Joly als Au-pair von Winterthur ins Welschland gekommen - und wollte nicht mehr weg. «Zwischendurch war ich einmal drei Monate in Zürich. Das war gar nichts. Ich habe bald gemerkt, dass ich wieder zurück muss.» Mit ihrem Mann Jacques, einem Winzer aus dem Nachbardorf, konnte sie in Grandvaux ein Haus kaufen, Baujahr 1750. Die Gemeinde Payerne hatte hier den Wein aus ihren Reblagen keltern lassen. Nun hatten Jolys also einen gut ausgerüsteten Winzerbetrieb, aber noch keine Weinberge. Zum Glück fanden sich bald Reben zur Pacht, heute sind es vier Hektaren. Im Keller stehen noch Teile einer riesengrossen alten Presse. «Wahrscheinlich hat man erst die Presse gebaut, und nachher das Haus drumherum», meint Aurélia lachend. «Der Platz ist knapp in unserem Keller. Wir sind dauernd mit Umschichten beschäftigt. Wir fühlen uns wie die Weltmeister im Tetris.» Trotzdem stehen bereits die beiden Kinder in den Startlöchern. «Es ist noch nicht ausgemacht, dass sie eines Tages übernehmen werden. Es soll für sie kein Müssen sein. Es braucht die Leidenschaft für diesen Beruf. Die muss ich sehen, wenn ich das Geschäft übergebe. Man muss mit Leib und Seele dabei sein.»

Aurélia Joly, Vigneronne, Grandvaux, mit Ehemann Jacques, vor der Kellertür

Winzerin Aurélia mit ihrem Ehemann Jacques Joly vor dem Eingang zu ihrem Weinkeller in Grandvaux VD.

Cave Joly, Weine, Vigneronne Aurélia Joly, Grandvaux

Der Weinkeller birgt einige Schätze. Alle von den berühmten Weinbergen im Lavaux. 

Aurélia Joly, Vigneronne, Grandvaux, mit Velo in Grandvaux unterwegs

Idealer Kompromiss: Aurélia ist in den Reblagen und auch im Dorf viel mit dem Velo unterwegs.

Velodorf. Im schmucken Winzerdorf Grandvaux ist Aurélia oft auf dem Velo anzutreffen. «Der ideale Kompromiss zwischen Auto und Fussmarsch, besonders für mittlere Distanzen.» Das zählt, denn Aurélia ist oft unterwegs. Die Reblagen verteilen sich auf nicht weniger als 25 Parzellen. Zudem betreut sie als gelernte Hotelfachassistentin die Gastronomie des Weinguts. Hier kann man nämlich auch vorzüglich speisen. Im Carnotzet, das als Buschwirtschaft jeden Montag geöffnet ist und bald auch auf der geräumigen Terrasse mit Seeblick, die Jolys gerade einrichten. Viele Kunden sind überhaupt erst durch dieses kulinarische Angebot auf die Joly-Weine aufmerksam geworden. 2019 hat Aurélia bei den Landfrauen mitgemacht. «Ein unvergessliches Erlebnis - manche Kontakte von dieser Sache sind bis heute geblieben.» Mit ihrer Küche hat sie auch immer neues Zielpublikum im Visier. Im Moment sind es Bike-Gruppen, die Bewegung und Genuss unter einen Hut bringen möchten.

 

Mädchen- und Burschenweine. Beim Wein sind Jolys aussergewöhnlich breit aufgestellt. Nicht weniger als 18 Produkte sind im Sortiment, unter anderem die lokale rote Rarität Plant Robert. «Ganz allgemein sind die Rotweine am Kommen, wir sind dabei, dieses Segment auszubauen.» Ein Wurf ist zudem der recht spontan entstandene «Vin des filles», der auf ein weibliches Publikum zielt, ohne in die gängigen Klischees zu diesem Thema zu fallen. «Natürlich werde ich auch immer gefragt, wann denn der Vin des garçons komme, und wie der beschaffen sei», berichtet Aurélia schmunzelnd. Präferenzen nach Geschlechtern gibt es durchaus, zumindest in der Familie Joly. «Wenn ich fürs Abendessen einen Wein aus dem Keller hole, ist es in der Regel eine Spezialität. Bei meinem Mann kommt meistens ein Chasselas hoch.»

 

 

Kulinarikspot. Dass man im Lavaux gut essen und trinken kann, ist kein Geheimnis. Aurélia kauft beim Bäcker Jean François Martin und beim Metzger Nardi in Cully ein. «Wir versuchen lokal zu bleiben, wo es möglich ist.» Auch den Markt in Cully besucht Aurélia regelmässig, nicht nur zum Einkaufen. «Im Sommer verbinden wir das mit einem Apéro. Das geniessen wir.» Ihre Stammrestaurants sind die «Auberge da la Gare» in Grandvaux und die «Auberge du Raisin» in Cully. Nicht zu vergessen das «Tout un Monde» in Grandvaux; die Aussicht auf Rebberge und See ist phänomenal. «Ja, es ist schon schön hier. Die Leute sagen, wir seien dauernd in den Ferien. Das hat etwas. Es ist der Lohn für unsere Arbeit.».

 

>> www.cave-joly.ch