Text: Kathia Baltisberger Fotos: Ellin Anderegg
Nur Sitzplätze. «Wir wollen die erste Bar sein, die einen Michelin-Stern kriegt!» Was Dirk Hany sagt, klingt im ersten Moment sehr selbstbewusst, im zweiten unmöglich. Denn der Restaurant-Führer vergibt die Sterne eben an Restaurants und nicht an Bars. «Das ist uns natürlich völlig bewusst», sagt Hany. «Aber man muss sich die Ziele hochstecken. Wir wollen so arbeiten, als ob das möglich wäre.» Konkret heisst das: Der Gast soll behandelt werden, als würde er sich in einem Gourmetrestaurant befinden. Das fängt schon beim Empfang an. Dirk Hany begrüsst die Gäste am Eingang, führt sie an einen freien Tisch. Stehen kann man in dieser Bar nicht. Weder am Tresen noch sonst irgendwo. «Wir haben nur Sitzplätze und wenn die Bar voll ist, ist sie voll.» Nur so könne man die Qualität von Service und Ambiente garantieren.
Züri-Drinks. Wie in vielen Restaurants gibt es auch in der Bar zwischen Limmat und Bürkliplatz ein Amuse-bouche. «Das ist ein kleiner Cocktail in einem Sherry-Glas, der entweder salzig, sauer oder bitter ist. Er soll die Geschmacksnerven der Gäste etwas kitzeln», sagt Hany. Die Bar-Karte ist eher ein Bar-Buch. Es listet nicht nur Drinks und Spirituosen auf, es erzählt auch Geschichten, beschreibt Geschmäcker – ja selbst eine Karte von Zürich ist mit drin, damit der Gast erkennt, woher die regionalen Produkte genau stammen. Das ist insofern wichtig, weil Regionalität genauso zum Konzept gehört wie die Gastfreundschaft. «Mindestens eine Zutat in jedem Cocktail ist aus Zürich.» Zürihonig von Peter Schneider, Turicum-Gin oder Zürcher Fee Absinthe. «Wir sind in Zürich und wir wollen zeigen, dass es hier eine sehr hochstehende Barkultur gibt.»
Neues ausprobieren. Wer die Karte eingehend studieren will, braucht etwas Geduld. «Der Gast ist gefordert, aber nicht überfordert», sagt Hany. Wem es doch zu viel wird, der soll doch einfach den Service nach einer Empfehlung fragen. Die Cocktails sind aufgeteilt in Bitters, Short Drinks, Highballs, Old Fashioned und Sweet Drinks. Angegeben sind nur die Grundzutaten – welche Spirituose im Drink enthalten ist, steht nicht. «Wir wollen den Gast dazu bringen, auch mal etwas auszuprobieren, was er vielleicht nicht bestellen würde.» Auch wenn der gewiefte Trinker leicht von Wacholder auf Gin schliessen kann, so mag Agave genauso gut für Mezcal wie für Tequila oder Agavendicksaft stehen.
Whisky und Mezcal. Traube, Bergamotte, Zitrone, Sprudel – der «Green Carpet» besteht aus Champagner, Piscot, Bergamotte-Likör. Das Zitronenmelisseblatt symbolisiert den grünen Teppich des ZFF. Das Getränk ist erfrischend, leicht herb und hat eine gute Säure. Der Drink «For Goodness Sake» ist etwas leichter, wird er denn mit Sake, Holunder, Gurke und rosa Pfeffer gemacht. Der «Limmatien Night» ist der Sommerdrink in der Bar am Wasser. Er wir mit Rum, Rooibos und Limmatien, dem eigenen Tonic der Bar, gemacht. Was auffällt: Die Drinks sind unaufgeregt, schlicht, aber perfekt ausbalanciert. Mit Dirk Hany steht auch kein Unbekannter hinter der Bar. Der Mann mit südafrikanischen Wurzeln führte die «Widder Bar» bevor sie umgebaut wurde. Und erst Ende Juni konnte er die Schweizer Ausscheidung des «Diageo Reserve World Class» in Genf für sich entscheiden. Im September geht es ans Weltfinale nach Schottland. Die hochkarätige Jury um Daniel Schofield konnte er unter anderem mit dem «Smoke on the Water» für sich gewinnen. Dafür flambiert er Zucker und Kaffeebohnen und fängt den Rauch im Glas ein. Dann mischt er Whisky, Sherry und Mezcal (!).
Klassiker optimiert. Wer sich nicht auf die Drinks der Bar am Wasser einlassen will und lieber seinen Cosmopolitan, Manhattan oder Long Island Ice Tea trinkt, der läuft auch damit nicht auf. «Wir machen jedem Gast, den Drink, den er will. Aber gerade am Long Island Ice Tea haben wir etwas geschraubt, dass er auch schmeckt.» Wie im Fine Dining Restaurant geht es auch am Ende zu und her: Jeder Gast erhält ein «Friandise» in flüssiger Form: einen Pedro Ximénez Sherry.
>> Bar am Wasser
Stadthausquai 1
8001 Zürich