Text: David Schnapp | Fotos: David Künzler
Beginn in der Kirche. Das Amen in der Kirche kommt für einmal nicht zum Schluss, sondern gleich am Anfang: Die Geschichte des weltberühmten Champagnerhauses Dom Pérignon beginnt schliesslich in einem Kloster. Die angereisten Sommeliers aus den Restaurants von Andreas Caminada – aus dem Schloss, «Oz», «Igniv» und vom «Mammersberg» – betreten an diesem sonnigen Montagmorgen deshalb als erstes eine Kirche aus dem 16. Jahrhundert. In der Abtei Hautvillers hat der Benediktinermönch Dom Pérignon gelebt, gebetet und gearbeitet. Grosses Bild oben, v.l.n.r.: Patrizia Planer («Schloss Schauenstein»), Lorenz Tesar («Igniv», Bad Ragaz), Hannah van den Nieuwenhuizen («Igniv», Zürich), Sinja Wolff («Schloss Schauenstein»), Susanne Schneider («Igniv», Bad Ragaz), Marco Franzelin («Schloss Schauenstein»), Giuseppe Lo Vasco («Mammertsberg», Freidorf), Melanie Kalkhofer «Schloss Schauenstein».
«Ich trinke Sterne!» Der Mann Gottes gilt heute als Wegbereiter der Méthode Champegnoise, bei welcher Wein durch die Zugabe von Hefe in der Flasche gärt. «Er war gewissermassen der erste Önologe der Champagne», sagt Expeditionsleiterin Yumi Laforge. Die Ambassadorin von Dom Pérignon führt die Schweizer Delegation in die Geschichte und Geheimnisse der Bubbles ein. Natürlich habe der Mönch nicht den Champagner an sich erfunden, aber durch seine Versuche mit den Trauben aus den Weinbergen der Abtei habe er ihr den Weg geebnet. «Ich trinke Sterne!», soll der Mann gesagt haben, als er zum ersten Mal den wohl eher zufällig entstandenen Wein mit der durch die Flaschengärung entstandenen feinen Pérlage trinken konnte.
Zur aufgehenden Sonne. Nach dem Blick in die Vergangenheit geht es in die unmittelbare Gegenwart. Nur ein paar Autominuten weiter haben die jungen Weinprofis einen fantastischen Panoramablick auf die Weinberge der Champagne, die seit 2015 unter dem Schutz des Weltkulturerbes der Unesco stehen. Pinot Meunier ist hier an den weissen Blättern zu erkennen, an weiteren Lagen wachsen die weiteren typischen Champagner-Trauben: Eine Parzelle mit Pinot Noir namens «Prière» (Beten) ist nach Osten, zur aufgehenden Sonne und Richtung Jerusalem ausgerichtet und Chardonnay wächst unter anderem an der Premier-Cru-Lage Hautvillers, der früheren Heimat des Mönchs, welcher dem Champagnerhaus den Namen gegeben hat.
27 Kilometer Keller. Vom Weinberg geht es in sozusagen chronologischer Reihenfolge in den Keller. Wobei «der Keller» eine starke Untertreibung darstellt. Über insgesamt 27 Kilometer auf verschiedenen Ebenen ziehen sich die kühlen, dunklen, unterirdischen Reiferäume für den prickelnden Wein. 1717, erzählt Madame Laforge 13 Meter unter der Erde, seien die ersten Keller von Dom Pérignon angelegt worden. Für den aussergewöhnlichen Champagner ist heute noch viel Handarbeit nötig. Um beispielsweise die historischen Gewölbe möglichst gut ausnutzen zu können, werden die Flaschen einzeln und sorgfältig von Hand gestapelt – zehntausende sind es an manchen Stellen. Aus den einen wird irgendwann in den acht bis zwei Jahren Reifezeit ein neuer «Vintage». Aus besonders vielversprechenden Weinen entstehen dann die prestigeträchtigen Super-Champagner P2 und P3. «Es kann aber auch sein, dass die Weine nach der Reifezeit nicht den Vorstellungen von Kellermeister Vincent Chaperon entsprechen», dann werden sie auch nicht verkauft», sagt Yumi Laforge.
Spannung statt Stabilität. Nachdem die jungen Frauen und Männer aus den Tiefen des Kellers wieder ans Tageslicht zurückgekehrt sind, folgt in der Villa Trianon auf der anderen Strassenseite der Realitäts-Check. Im früheren Wohnhaus der Familie Moët empfängt Winemaker Jean-Baptiste Terlay die Schweizer Runde zum Champagner-Tasting: «Wir wollen durch die Verwendung von roten und weissen Trauben, Chardonnay und Pinot Noir Kontraste vereinen», sagt er über die Philosophie des Hauses. Das Ziel sei nie aromatische Stabilität, sondern vielmehr Spannung. Dieser spüren die Sommeliers jetzt in einem Vintage sowie einem P2 von jeweils 2004, einem Rosé von 2008 oder einem P2 Rosé von 1996 nach.
Trendwende. «Heute denkt man ganz anders über Champagner nach als noch in den 70er Jahren», sagt Önologe Terlay. Man trinke gerade in der Spitzengastronomie reife, nicht mehr so stark gekühlte Champagner aus Weingläsern. Stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen bestätigt Marco Franzelin, Sommelier auf Schloss Schauenstein, den Trend: «Schaumweine sind vielen Leuten, die bei uns essen, ein immer grösseres Thema», sagt der 36-jährige Wein-Experte. Und nach dem Ausflug in die Geschichte und die Keller von Dom Pérignon hat er seinen Gästen auch etwas zu erzählen: «Das alles zu sehen, ist spannend und beeindrucken», findet Franzelin.