Fotos: Hans-Peter Siffert
Catherine Cruchon, gibt es etwas, dass Sie vom Bio-Weinbau wieder abbringen könnte?
Das Einzige, was für mich wirklich gegen biologischen Weinbau spricht, ist der ganze administrative Aufwand. Aber immerhin müssen «Demeter» und «Bio» seit einiger Zeit nicht mehr separat beantragt werden. Grosses Bild oben: Catherine Cruchon im Barriquekeller.
Was spricht denn alles für Bio?
1999 begannen mein Vater und andere Winzer wie Marie-Thérèse Chappaz mit dem biodynamischen Anbau. Das war übrigens nicht aus ökologischen Gründen, sondern weil ihnen biodynamisch produzierte Weine, etwa aus dem Burgund, besser schmeckten. Sie weckten bei ihnen mehr Emotionen. Erst später realisierten wir, dass auch die Rebberge von der Methode profitieren und gesünder aussehen. Und nicht zuletzt gilt es, die Gesundheit der Rebarbeiter zu schützen.
Alles triftige Gründe.
Bio ist ja nichts Neues. Man darf nicht vergessen, dass Dünger, Pestizide und Herbizide, erst im 20. Jahrhundert im Rebbau aufgetaucht sind. Die ersten Vertreter für Glyphosat, mit welchem gegen Unkraut bekämpft wird, haben ihr Produkt ja noch getrunken, um der Kundschaft zu demonstrieren, wie ungefährlich es ist. Ich weiss nicht, wie es denen inzwischen geht. (Lacht.)
Wieso schaffen wir es in der Schweiz nicht, dass der ganze Weinbau auf Bio umsattelt?
Oft sind es finanzielle Gründe – wer steile Parzellen hat, will das Unkraut nicht von Hand bekämpfen müssen. Und wenn das Wetter kippt, muss man an einem einzigen Tag die ganzen Reben mit den erlaubten Mitteln spritzen, sonst verliert man grosse Teile der Ernte. Solche Kosten können nicht auf die Konsumenten abgewälzt werden.
Ist Bio denn kein starkes Verkaufsargument für Wein?
Das Portemonnaie ist, zumindest im Supermarkt, oft stärker. Ich kenne Rebbauern in der Romandie, die an grössere Weinhäuser liefern und gerne umstellen würden – weil sie aber keinen höheren Kilopreis bekommen, lassen sie es bleiben. Immerhin ist inzwischen das Gerücht aus der Welt, dass Bio-Weine schlechter schmecken. Der Ruf des Bio-Labels ist viel besser geworden. Und gerade die Kundschaft unseres Weinguts will solche Weine.
Sie gehen mit dem Demeter-Label noch einen Schritt weiter. Können Sie kurz erklären, wie gross da der Unterschied zu Bio ist?
Im Rebberg merkt man das auf reglementarischer Ebene kaum mehr. Man braucht weniger Kupfer, und verwendet – sofern man das möchte – die Präparate 500 und 501.
Für was stehen diese Zahlen?
So nennt man die Hörner mit dem Kuhmist respektive mit Hornkiesel, die man in den Parzellen vergräbt. Wer einen Bauernhof mit Ackerbau betreibt, muss zudem noch Tiere halten. Für Wein gilt da eine Ausnahme.
Und die Unterschiede im Keller?
Da ist es etwas anspruchsvoller. Weil bei der Biodynamie nur natürliche Hefen verwendet werden dürfen. Weil Enzyme, Binde- und gewisse Filtrationsmittel nicht erlaubt sind. Kurz gesagt: In herkömmlichem Wein dürfen rund 80 Zusatzstoffe drin sein, in einem Biowein vielleicht 30, etwa 15 bei Demeter, in einem Naturwein gar keine. Neben den Reglementen ist aber auch die Philosophie entscheidend.
Was meinen Sie mit Philosophie?
Bio ist schon noch näher am konventionellen Denken. Wenn im Rebberg eine Krankheit auftaucht, wird sie mit entsprechenden, bio-zertifzierten Produkten bekämpft. In der Biodynamik arbeitet man dagegen daran, die Abwehrkräfte der zu stärken – damit die Krankheiten erst gar nicht auftauchen. Da werden dann Dinge wie der Mondkalender, Kräutertees und andere Präparate verwendet, was ein wenig an Homöopathie erinnert. Und natürlich ist der Boden wichtig, der als komplexes Gebilde verstanden wird, das sich über Jahre gebildet hat. Pilze, Insekten, Pflanzen spielen dort zusammen – da greift man so wenig ein wie möglich.
Kommt dieses Denken im Keller ebenso zum Tragen?
Ja. Dort geht es im Wesentlichen darum, das Potenzial herauszuholen, das eh schon in den Trauben steckt. Das Motto hier ist: Es sind diese Trauben, die den Wein ausmachen – nicht der Önologe.
Gibt es Rebsorten, die sich besonders gut für Bio eignen?
Mir kommt vielmehr eine Sorte in den Sinn, die sich als schwierig erwiesen hat. Gamaret gedeiht, zumindest hier im Kanton Waadt, mit Dünger besser als ohne.
Chasselas ist also eine Bio-Sorte?
Entfernt man sich vom herkömmlichen Anbau, sind bei praktisch allen Varietäten die Beeren kleiner und die Schalen dicker. Das ist auch bei Chasselas so, und das passt. Kommt hinzu, dass die Sorte ziemlich gut mit den zunehmend wärmeren Temperaturen umgehen kann. Allerdings braucht sie viel Wasser.
Sie bauen Ihre Chasselas-Lagen ja teilweise separat aus. Weshalb?
Chasselas ist ein Terroirwein! Er reagiert merklich auf die Bodenbeschaffenheit. Auch Sonneneinstrahlung und Wettereinflüsse zeigen sich. Und so entstehen Weine, die sich merklich voneinander unterscheiden. Ich habe viele Kunden, die ihre Lieblingslage gefunden haben – und dies an der Struktur des Weins auch wiedererkennen. Und zwar Jahr für Jahr.
Sie scheinen die Sorte wirklich zu mögen.
Chasselas hat wenig Alkohol, wenig Säure, wenig Aromatik - anders als andere weisse Varietäten, die in aller Regel hohe Werte bei mindestens zwei dieser Parameter mitbringen. Wer allerdings mit gleich grossen Ambitionen an den Chasselas herangeht wie an einen Chardonnay, kann grosse Weine hervorbringen. Dann wird Chasselas fein, elegant und erfrischend wie kaum ein anderer Wein.
Aber wie begeistert man junge Geniesser für die Sorte?
Es gibt diverse Methoden, Chasselas auszubauen. Seine Magie aufzuzeigen. Man kann Pet-Nat-Weine keltern. Barriqueausbau ist möglich. Auf BSA kann verzichtet werden. Es wäre auf jeden Fall schade, die Rebstöcke einfach auszureissen, anstatt neue Wege auszuprobieren.
Noch einen Wein ins Sortiment nehmen? Bei Ihnen sind es schon über dreissig Etiketten.
Wir sind schliesslich auch 34 Hektar gross! (Lacht.) Aber im Ernst: Wir haben unser Sortiment, etwa bei den Roséweinen, in den letzten Jahren um einige Abfüllungen verkleinert.
Mehr Bio im Glas!
Ein lebendiger Rebberg mit kräftigen, widerstandsfähigen Reben und einem gesunden Boden ist die Grundlage für feine Knospe-Weine. Bereits über 580 Winzerinnen und Winzer produzieren in der Schweiz Bioweine. Sie verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger. Auch viele Top-Winzer bekennen sich zu Bio und Biodynamie.
Mehr Infos: www.biosuisse.ch
Dürfen Sie solche Entscheide ganz ohne die Vorgänger treffen?
Schon mein Grossvater liess die Generation meines Vaters und meines Onkels machen. Damit sie ihre Freude an der Sache hatten. Und so geht es nun auch weiter, wo meine Cousinen, meine Frau und ich am Ruder sind. Es gehört zu unserem Weingut, dass man in solchen Dingen offen ist.
>> Die Domaine Henri Cruchon wurde 1976 von Catherine Cruchons Grossvater Henri gegründet. Er wurde 2021 vom GaultMillau als «Ikone» des Schweizer Weinbaus ausgezeichnet. Das Waadtländer Weingut gehört – mit ingesamt über 30 Hektaren in der Region Morges – zu den grössten des Landes. Die Önologin Catherine Cruchon geht den Weg ihres Vaters weiter, der hierzulande als Pionier des biodynamischen Weinbaus gilt.