Text: Geny Hess I Fotos: Hans-Peter Siffert
Schwefelfreier Chasselas. Christian Vessaz ist nicht weniger als ein Visionär im biodynamischen Weinbau. Seit 2002 leitet er das Weingut Cru de l’Hôpital in Môtier-Vully am Murtensee. Die Domäne mit der besonderen Magie wird seit 2009 nach Demeter-Grundsätzen bewirtschaftet, zertifiziert ist sie seit 2012. Die Böden werden nur behutsam bearbeitet, die Reben mit Kräutermischungen gestärkt. Der Fokus liegt auf einem möglichst reinen Ausdruck des Terroirs, jeder Wein soll von seiner Herkunft erzählen. Und so wird auch Schwefel möglichst sparsam eingesetzt – Vessaz produziert gar einen schwefelfreien Chasselas.
Goldener Schnitt im Weinkeller. «Da ist keine Zauberei dahinter», kommentiert Christian Vessaz, «aber es braucht neben Leidenschaft halt auch Präzision.» Was er damit meint, lässt sich mit seinem Weinkeller illustrieren, in dem seit Jahrzehnten alles reibungslos funktioniert: Der Winzer ist überzeugt davon, dass die nach dem Goldenen Schnitt gestaltete Architektur des 1972 erbauten Gebäudes die Vinifikation und den Reifungsprozess des Weins positiv beeinflusst. Auch im Keller gelte es, so wenig wie möglich eingreifen, dem Wein soll sein Raum gegeben werden, wie es Vessaz nennt. Die herausragende Qualität der Endprodukte scheint ihm Recht zu geben.
Verzicht auf Kupfer in ausgewählten Lagen. Christian Vessaz will aber noch mehr: «Der nächste logische Schritt geht dahin, im Rebberg keine Schwermetalle mehr zu verwenden.» Vor drei Jahren hat er damit begonnen, in ausgewählten Parzellen bei traditionellen Sorten wie Chasselas, Traminer und Pinot Noir auf Kupfer zu verzichten. Stattdessen verwendet er Kräuterinfusionen und ätherische Öle, die er ausbringt. «Das kommt den Mikroorganismen im Boden zugute, es fördert auch die Antioxidantien», so Vessaz. Funktioniert's? Dieses Jahr regnete es im Mai ganze 21 Tage lang – doch die Ausfälle in den besagten Rebbergen waren nicht grösser als anderswo. Wer wissen will, wie das am Ende schmeckt, verkostet seinen «Wyn», einen Naturwein aus Chasselas, Traminer und Pinot gris, ganz ohne Kupfer und Schwefel. «Das ist die Zukunft des biodynamischen Weinbaus!»
Schafe, doppelt nützlich. Noch nicht genug: Er habe neuerdings einen Mitarbeiter, erzählt der Winzer begeistert, der sich ausschliesslich um die Biodiversität in den Rebanlagen kümmere. Wovon nicht zuletzt auch die anderen Angestellten des Guts profitierten: Einmal pro Woche steht frisches Gemüse aus dem eigenen Garten auf dem Menüplan; einmal pro Jahr sogar das Fleisch von den Schafen, die fleissig für das Weingut mitarbeiten. So geht naturnaher Weinbau!