Interview: Urs Heller

Marco Franzelin, Sie sind Falstaffs «Sommelier des Jahres». Das war Ihre Partnerin Anna Junge bei GaultMillau auch schon. Seid ihr immer gleicher Meinung?
Wir haben schon einen sehr ähnlichen Geschmack. Anna ist im Zweifelsfall in ihrem Urteil die Rigorosere von uns beiden. Wir degustieren in unserer Freizeit auch zu Hause viel, verteilt über den ganzen Tag.

Wie ist die Arbeitsteilung auf Schloss Schauenstein?
Anna ist jetzt junge Mutter. Sie macht auf dem Schloss die Frühschicht, fährt nach dem Mittag wieder heim. Ich komme später, bleibe dann bis zum Schluss. Die Getränkebegleitung fürs Menü stellen wir meistens gemeinsam zusammen. Ich bin zusätzlich noch der Einkäufer.

Weine und Getränke, die zur Küche von Andreas Caminada passen. (K)ein einfacher Job?
Herausfordernd, weil der Chef viele Gerichte kreiert, die von Säure getragen sind. Aber wir finden eigentlich immer eine gute Lösung. Wir suchen nach Struktur und Textur, wollen den Gang mit unseren Weinen nicht erschlagen.

Caminada. Das Magazin Andreas Caminada Dom Pérignon Botschafter 2021

Der Schloss-Champagner. Andreas Caminada ist Dom-Pérignon-Ambassador.

Winzer Patrick Adank und Marco Franzelin 2021

Direkter Draht in die Bündner Herrschaft. Patrick Adank (l.), Marco Franzelin.

Weine aus der Bündner Herrschaft kommen im Schloss häufig auf den Tisch.
In der Herrschaft ist eine spannende, neue Generation an der Arbeit. Söhne berühmter Winzer haben übernommen. Sie werfen nicht alles über Bord, was ihre Eltern gemacht haben. Aber sie sind sehr gut ausgebildet und entwickeln den Betrieb weiter. Sie arbeiten miteinander, nicht gegeneinander.

Sie haben einen engen Kontakt mit der jungen Bündner Szene.
Natürlich. Bei Patrick Adank haben wir beispielsweise neun Fässer durch degustiert. Alle waren gut, aber von einem waren Anna und ich so begeistert, dass wir gleich das ganze Fass für das Schloss reserviert haben.

Gibt es ein Comeback der Burgunder Weine?
Burgunder war immer präsent. Allerdings werden die besten Flaschen immer teurer. Also suchen wir nach erstklassigen Appellationen, die noch etwas im Schatten der Grossen stehen und sehen uns auch in den Seitentälern um. Wir finden hervorragende Produkte. Natürlich haben wir auch die grossen Etiketten im Keller. Der Chef ist auch umgeschwenkt, von spanischen Weinen zu Burgundern.

Weinkeller Schloss Schauenstein in Fürstenau GR

Schloss Schauenstein. Ein prallvoller Keller. Und zwei Weltklasse-Sommeliers.

Ihr Chef ist Dom-Pérignon-Ambassador. Welches Gericht passt perfekt zu diesem Kult-Champagner?
Eine Traumkombination ist eine leicht gegarte Forelle mit Quitte und Haselnuss, dazu ein 2003 Dom Pérignon. Dieser Champagner aus dem warmen Jahr 2003 bringt sehr viel Schmelz und Cremigkeit mit, die Säure ist nicht so ausgeprägt. Säure haben wir bei der Vinaigrette der Forelle genug.

Man spricht vermehrt von Getränkeleitung statt von Weinbegleitung, serviert auch alkoholfreie Getränke, Sake und Bier.
Eine alkoholfreie Begleitung gibt es bei uns selbstverständlich auch. Sake haben wir im Keller, aber er passt nicht so recht zu unserer Küche. Bier aus den umliegenden kleineren Brauereien bleibt fix im Angebot. Wir servieren gerne Bier zum Käse. Das passt!

Wie aufdringlich darf ein Sommelier am Tisch mit seinen Empfehlungen sein?
Der Gast soll trinken, was ihm Spass macht und bei uns einen schönen Abend geniessen. Ein Sommelier darf nie am Gast vorbei arbeiten. Wünscht ein Tisch beispielsweise eine Getränkebegleitung ausschliesslich mit Bündner Weinen, so machen wir das gerne. Auch asiatische Gäste sind vom Schweizer Wein oft völlig fasziniert und möchten am liebsten ein paar Flaschen mitnehmen.

 

>> Fotos: Thomas Buchwalder, Gian Marco Castelberg, Lukas Lienhard, HO