Text: Siméon Calame I Foto: Juste du Goût
«STATION-SERVICE». Ohne dieses kleine Hinweisschild würde man kaum anhalten bei Les Parcelles, 700 Meter vor der französischen Grenze an der grossen Durchgangsstrasse bei Annières GE. Denn das Gut von Véronique und Laurent Villard ist einer Tankstelle zum Verwechseln ähnlich. Nein, hier an diesen Pumpen füllt man nicht seine Flaschen ab! «Bis 2004 waren wir in Hermance in einem hübschen, niedlichen Gebäude», schaut Véronique zurück, «aber es wurde uns dort etwas zu eng, daher haben wir ein neues eigenes Haus geplant und gebaut, das vor allem funktionell sein sollte». Funktionell und praktisch ist es auch geworden, allem voran der Keller, aber dennoch mit einem hübsch eingerichteten, mit Bildern von einheimischen Künstlern geschmückten Bereich für Degustationen und den Empfang der Kundschaft.
Tasmanien als prägendes Erlebnis. Die Domaine des Parcelles unterscheidet sich nicht nur durch ihren Keller von anderen Weingütern. Weit spezieller ist die Tatsache, dass die Villards Wein machen ohne Rebstöcke. «Reben haben mich nie interessiert», gibt Laurent zu. Daher war es nichts als logisch, dass Philippe, einer seiner Brüder, das Familienweingut 1990 übernahm, als sein Vater ans Aufhören dachte. «Jean, unser dritter Bruder, ist Arzt. Er verordnet die Villard-Weine als Medizin», lacht der Önologe. Schon damals orientierte sich Laurent in Richtung Keller, Degustationen und Verkauf. Ein Jahr lang machte er ein Stage beim Genfer Winzer Luc Mermoud, danach studierte er Önologie in Changins. Als junger Mann prägte ihn jedoch besonders der Aufenthalt bei Bernard Rochaix in Tasmanien.
«Man weiss sich zu helfen». Laurent engagierte sich danach beim Weinhändler CAVE SA, dem Club des Amateurs de Vins Exquis, wo er immer noch mitarbeitet. Aber schon bald holte ihn die Lust ein, seine eigenen Weine zu vinifizieren. 1994 kaufte er Trauben aus einzelnen, verstreuten Parzellen - daher der Name des Guts - und komponierte seine ersten Crus, «mit den Trauben, die halt da waren, man weiss sich zu helfen». Vier Jahre später lernte er Véronique kennen, die «überhaupt nicht aus der Welt des Weins» kam, wie sie betont. Heute arbeiten die beiden Hand in Hand mit drei Winzern und kellern die Trauben von rund sechs Hektaren Wein ein.
Tierische Etiketten. Véronique und Laurent können sich an kleinen Dingen erfreuen und begeistern, aber auch an schönen Begegnungen. Eine solche, wegweisende Begegnung fand 1995 mit dem Grafiker statt, welche die einzigartigen Etiketten für ihre Flaschen entwarf. «Es sind die Spuren einheimischer Tiere, die sie in den Rebbergen hinterlassen», erklärt Laurent Villard, «noch mehr als der ästhetische Aspekt hat uns die Geschichte dahinter berührt». Hermelin, Reh, Fasan, Wildschwein, Blässhuhn, Graureiher, Hund, Igel…. und der Fuchs, dessen Spur die Etikette des ersten Weins Des Parcelles schmückte. Es war die Assemblage Convergence, komponiert aus Chasselas, Charmont, Doral, Pinot blanc und Pinot gris. Fruchtig, lebendig und frisch widerspiegelt dieser Wein aufs Beste die Villards, seine Schöpfer.
Das liegt im Keller: Weiss: Convergence (aus Chasselas, Charmont, Doral, Pinot blanc, Pinot gris), Aligoté, Chardonnay, Chardonnay grains entiers, Chardonnay barrique, Altesse, Sauvignon, Merlot blanc. Rot: Gamay, Pinot noir fruit, Pinot noir sélection, Gamaret, Merlot, Consonance (aus Diolinoir, Merlot, Garanoir). Rosé: Blanc de noirs.
Coup de Coeur: Véronique schätzt den Altesse für seine Frische. Laurent ist überrascht über den Pinot sélection 2021, der auf dem Papier als keine grosse Cuvée gilt. «Er wurde das genaue Gegenteil!», sagt er.
Das passt zusammen: «Der Pinot sélection zu einem grillierten Poulet, zu hausgemachten Frites - das ist unser Sonntagabend-Ritual mit unseren Kindern.»
Drei Gault-Millau-Chefs mit Weinen von Véronique und Laurent Villard: Franck Giovannini im Restaurant de l’Hôtel de Ville in Crissier (19 Punkte), Olivier Jean im Atelier Joël Robuchon im Woodward in Genf (15 Punkte), Yoann Caloué im Café des Banques in Genf (15 Punkte).