Interview: Elsbeth Hobmeier
Reden wir vom Wallis. Sind autochthone Sorten gegenüber den internationalen auf dem Vormarsch?
Bis in die 1990er-Jahre waren Fendant und Dôle – also Pinot Noir und Gamay –
die mit Abstand wichtigsten Walliser Weine. Seit Ende der 1990er-Jahre zeigt der Trend hin zu autochthonen Sorten und sogenannten Spezialitäten. Darunter fallen auch Syrah, Sylvaner oder Pinot Gris, die innerhalb der Schweiz als Walliser Spezialitäten gelten. Pinot Noir, Chasselas und Gamay haben etwas an Bedeutung eingebüsst; 2009 machten sie 68 % der Rebfläche aus, heute sind es noch 54 %.
Welche «Walliser» kommen bei den Coop-Kunden am besten an?
Am beliebtesten sind Rosé Oeil-de-Perdrix und Pinot Noir. Aber dann folgen tatsächlich die autochthonen Sorten Heida und Petite Arvine. Im Trend liegt zudem der rote Syrah. Es gibt im Wallis natürlich Sorten, deren Anbaufläche so klein ist, dass gar kein Trend oder Kundenliebling daraus entstehen kann. Etwa Amigne mit 40 Hektar oder Humagne Blanche mit nur 27 Hektar Rebfläche.
Sind die Walliser Winzer innovativer als andere?
Ich möchte nicht behaupten, das Wallis sei innovativer als andere Schweizer Weinregionen. Innovation gibt es überall. Aber das Wallis ist, wenn man das Verhältnis von Rebfläche mit der Anzahl kultivierter Sorten vergleicht, die Nummer 1 in der Schweiz. Deshalb kommen auch viele Innovationen und viele gute Weine aus dem Wallis.
Schweizer Schaumwein scheint gefragt. Wie unterscheidet sich der Walliser Mousseux von anderen?
Schaumwein liegt allgemein im Trend. Mit Abstand am beliebtesten ist Prosecco, gefolgt von Champagner, Crémants und Schweizer Schaumweine. Ich kenne kein Merkmal, das den Walliser Mousseux grundsätzlich von anderen Schweizer Schaumweinen abhebt. Aber sie können sehr gut sein, etwa Jacques Germaniers Brut Millésimé, der jedes Jahr am Grand Prix du Vins Suisse eine Goldmedaille holt.
Einige Walliser Winzer sind überzeugt, ihr Terroir könne Weissweine von Weltrang hervorbringen. Stimmt’s?
Das sehe ich auch so. Es gibt jetzt schon Walliser Weisswein von Weltrang. Wie in allen guten Weinregionen weltweit wird auch hier viel gefeilt, ausprobiert, verbessert und gewagt. Bei den schier unendlichen Kombinationen von Rebsorten und Reblagen ist sicher noch mancher Spitzenweisswein zu erwarten.
Viele Walliser Reblagen sind extrem steil und terrassiert. Wirkt sich das auf den Wein aus?
Terrassen sind aufwändig in der Bewirtschaftung. Viel Handarbeit und viel Zeit führen zu hohen Kosten. Aber wenn der Winzer viel Zeit im Rebberg verbringt, kennt er eben seine Reben auch sehr gut. Terrassenanbau kann im Idealfall für den Konsumenten also heissen: relativ teurer, aber guter Wein.
Eine Walliser Spezialität ist der Johannisberg, ein Sylvaner. Schmeckt die Sorte anders als aus anderen Regionen?
Franken in Deutschland und das Elsass in Frankreich sind die einzigen weiteren wichtigen Sylvaner-Anbaugebiete. Im Elsass sind Riesling, Pinot gris und Gewürztraminer höher geschätzt und erhalten mehr Aufmerksamkeit, deshalb ist der Sylvaner eher passabel als richtig gut. In Franken dagegen ist der Sylvaner König und bringt sehr gute, komplexe, alterungswürdige Weine hervor. Sie sind in der Regel aber schlanker und weniger reiffruchtig als die sehr guten Walliser Johannisberg-Weine.
Wie charakterisieren Sie den Johannisberg?
Die Weine unterscheiden sich je nach Produzent im Stil. Ich habe mit der Domaine du Mont d’Or eine Spezialausgabe zu ihrem 175-Jahre-Jubiläum assembliert. Dieser trockene Sylvaner zeigt eine intensive Aromatik. Am Gaumen trumpft er mit sehr dichter Frucht, im langen Abgang mit schönem Schmelz. Er ist ausgewogen und elegant.