Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Hans-Peter Siffert
Übergabe am Sterbebett. Wenn Patrice Rudaz vom Firmengründer Jacques Germanier spricht, nennt er ihn liebevoll «Le Père Germanier». Bevor der vor Ideen sprudelnde Unternehmer im Jahr 2017 einer Krankheit erlag, übergab er seinem Mitarbeiter - quasi auf dem Totenbett - die Verantwortung für seine Cave du Tunnel in Conthey VS. Rudaz war als junger Finanzverantwortlicher 2004 in die Firma eingestiegen. Nun, angesichts der neuen Situation, musste er sich urplötzlich vom Kollegen zum Direktor wandeln und die gesamte Verantwortung übernehmen. «Einfach war das nicht. Es gab 25 Firmen unter einem Dach, darüber hinaus ein Weingut in Südafrika», sagt er rückblickend. «Der Père hatte enorm viele Ideen angestossen.» Heute, sechs Jahre später, hat er das Konglomerat weitgehend entflechtet und in gute Bahnen gelenkt. Grosses Bild oben: Direktor Patrice Rudaz hebt das Glas auf Père Jacques Germanier, den grossen Pionier.
Fünf Jahre in dunklen Gängen gelagert. Jacques Germanier hat prägende Meilensteine gesetzt: Als Liebhaber internationaler Rebsorten liess er viel Chardonnay pflanzen, der für das Wallis eher untypisch ist. Und als Champagner-Fan wollte er daraus einen Schaumwein produzieren, einen reinen Blanc de Blancs. Wie in der Champagne üblich, liess er lange Stollen in die Felshänge hinter seinem Haus in Conthey bohren, wo die Flaschen «sur lattes» bis zur Verkaufsreife fünf Jahre lang im kühlen Dunkel lagern. Für das Degorgieren, als das Entfernen des Hefesatzes aus der Flasche, kommt ein spezialisiertes Unternehmen aus der Champagne zum Zug. 1989, also vor 34 Jahren, kam der erste Brut Jacques Germanier auf den Markt. Eine Novität, eine Sensation, der erste Walliser Schaumwein überhaupt!
Prestigeträchtiger Millésimé. Heute ist der schäumende Brut mit seiner feinen Perlage und den fruchtigen Aromen immer noch ein Vorzeigeprodukt des Hauses. Er ist in drei Varianten erhältlich: als Millésimé, als Réserve und als Rosé. Fünf Mal in Folge hat der Millésimé beim Grand Prix du Vin Suisse den ersten Platz errungen. Bei Coop ist er seit Jahren ein Verkaufsschlager – zu einem Preis, der weit unter demjenigen eines Champagners von vergleichbarer Qualität liegt. Derzeit wird der Jahrgang 2018 angeboten. Weitgehend verantwortlich für diesen Erfolg ist Önologe und Kellermeister Bruno Geiger, der seit 43 Jahren die Weinproduktion leitet. Im nächsten Jahr geht er in Pension; der aus dem Piemont stammende Fachmann Fabio Negri wird dann in seine Fussstapfen treten.
Terroir für Weine mit Weltrang. Der Mousseux ist zwar ein wichtiges Produkt der Cave du Tunnel, aber beileibe nicht das einzige. 300 unterschiedliche Labels sind es, viele davon als Abfüllungen exklusiv für Händler. Gepflegt werden auch Walliser Spezialitäten wie Humagne Blanc, Petite Arvine, Païen. Künftig will Direktor Patrice Rudaz noch stärker auf diese Sorten setzen, denn: «Das Walliser Terroir ist fähig, tolle Weissweine von Weltrang hervorzubringen.» Neue Töne schlägt Rudaz mit den Gammes Signatures an: 2022 gestaltete der Louis-Vuitton-Designer Kevin Germanier drei Flaschen, 2023 wurde die Kollektion «Trilogie» mit passender Begleitung durch die Musikerin Mathilde Roh lanciert. Keine Frage: La Cave du Tunnel zieht mit wehenden Fahnen in die Zukunft.