Text: Urs Heller Fotos: Thomas Buchwalder
Schlechtes Timing. Die Ernte ist in vollem Gang. Trotzdem kamen fünf der sieben «Rookies des Jahres 2021» für wenige Stunden nach Bern, um in der «Steinhalle» die begehrte Auszeichnung persönlich abzuholen. Zwei gelbe Ehrentafeln gehen per Post zu den Gewinnern: «Die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind miserabel. Mich braucht es jetzt jede Minute im Rebberg», sagte Etienne Javet aus Lugnorre FR. Und auch Christian Dexl von «Keller am See» in Ligerz BE blieb lieber im Keller. Kein Problem natürlich für die Gastgeber und die Jury: Ernte geht vor! Grosses Bild v.l.: Die Rookies. Georg Schlegel jr., Sven Fröhlich, Dario Pistarà, Viviana Pasta, Simon und Régis Bagnoud, Beat Burkhardt.
Der Chasselas für Pater Patrick. Ein anderer Winzer vom Bielersee war tiefenentspannt: «Wir sind durch. Die Trauben sind gelesen», vermeldete Rookie Beat Burkhardt, der einen ganz besonderen Job hat: Er hegt und pflegt die Reben, die das Kloster Engelberg in Twann nach fast 600 Jahren zurückgekauft haben. Nach drei Jahren harter Arbeit ist das Weingut wieder auf Kurs. Und wer kriegt den Chasselas im Kloster als erster? «Pater Patrick», verrät Burkhardt, «er ist in Engelberg der Kellermeister und ein sehr guter Gesprächspartner.»
Die Streitkultur der jungen Winzer. Wie fallen eigentlich Entscheide, wenn man ein Weingut zu zweit führt? «Manchmal kracht es ganz schön», lacht Viviana Pasta, die junge Winzerin in Capolago TI. Ihr Partner Dario Pistarà ist wie sie ausgebildeter Oenologe, die beiden haben sich an der Uni in Mailand kennengelernt. Viviana: «Wir diskutieren hart, aber dann treffen wir gemeinsam die richtige Entscheidung.» Ihr «Castello di Cantone» ist auf dem Weg steil nach oben, selbst Profi Rudi Bindella, sonst eher auf Italien ausgerichtet, hat sich von diesem grossen Tessiner Wein rechtzeitig ein grösseres Kontingent gesichert. In Flanthey VS machen die Zwillinge Simon und Régis Bagnoud gemeinsame Sache. «Auch wir haben heisse Diskussionen, aber glücklicherweise nie Streit.» Schiedsrichter spielt dann Vater Nicolas, der bei der Party in Bern fehlte: «Einer muss ja im Keller bleiben», lachen die Twins.
Der «junge Winzer» ist 50! «Rookie des Jahres» - das ist üblicherweise eine Auszeichnung für junge Winzer. Keine Regel ohne Ausnahme: Sven Fröhlich aus Malans ist über 50 – aber der Quereinsteiger hat die Jury mit seinem Pinot Noir überzeugt. Wie lebt es sich als an der Ostsee aufgewachsener Berliner in der Bündner Herrschaft? Fröhlich: «Der Anfang war hart. Man muss das Vertrauen der Menschen hier erst verdienen. Aber jetzt fühle ich mich sehr wohl in Malans. Auch meine Winzerkollegen haben mich akzeptiert.» Georg Schlegel junior, ebenfalls ein «Rookie des Jahres», hatte es da einfacher in der Herrschaft. Er arbeitet eng mit seinem Vater Georg Schlegel senior zusammen, gemeinsam machen sie im «Weingut zur Alten Post» einen tollen Job.
«Eine tolle Wahl, spannende Winzer!» Ehrengast bei der Party: Nicolas Joss, der dynamische neue Direktor von Swiss Wine Promotion. Das Urteil des Profis: «Die GaultMillau-Weinjury hat gute Entscheidungen getroffen. Alle sieben Rookies machen hervorragende Weine und haben die Zukunft vor sich.» Joss reiste mit einer riesigen und ziemlich exklusiven Flasche an: Eine Jeroboam (drei Liter!) der Familie Henri Delarze von Bernard Cavé in Ollon VD. 100 Prozent Chasselas, versehen mit einer eleganten Etikette von Künstler André Raboud. Nur zehn Grossflaschen gibt es davon. Jetzt noch neun.