Provins hatte einen Traum. Die grösste Genossenschaftskellerei der Schweiz wollte einen grossen Schweizer Wein lancieren – einen, der sich mit der Weltspitze messen kann. Es sollte ein unüberseh- und unüberhörbarer Botschafter werden, aus den besten Walliser Reblagen und besten Rebsorten. Denn das Wallis habe das Zeug zum Mittelpunkt der Weinwelt Europas.

 

Electus, der Auserwählte. So sollte das Wunderkind heissen. Zehn Jahre lang suchte man nach den besten Rebbergen. Man wählte die typischen Walliser Sorten Humagne Rouge, Cornalin und Diolinoir, dazu Merlot und Cabernet Sauvignon. Die ersten Versuche mit Jahrgang 2008 und 2009 entsprachen dem Ideal noch nicht, erst der 2010er schaffte es. Alle Traubensorten wurden einzeln vergoren, 18 Monate in Fässern aus französischer Eiche gereift und dann als Assemblage vereint. 2013 wurden 20’000 Flaschen gefüllt, 2014 kam der erste Electus in den Verkauf.

Damien Carruzzo

Damien Caruzzo arbeitet als Önologe bei Provins und zeichnet verantwortlich für den Electus.

Ein Erdbeben in der Weinwelt. «Teuerster Schweizer Wein aller Zeiten» und «Darf ein Schweizer Wein so viel kosten?», schrieben die Medien und schwankten zwischen Entsetzen und Empörung. Die einzelne Flasche kam für 190 Franken auf den Markt, eine Neuheit für Helvetien, wo nur wenige Weine die Schallgrenze von 100 Franken zu überspringen wagten. Kein Wunder, wenn sich vorerst die Diskussion praktisch nur um den Preis bewegte.

 

Es schäumt der frisch gepresste Traubensaft. Später wird er im Holzbarrique einer grossen Zukunft entgegenreifen.

Die Aufregung legte sich. Namhafte Weinjournalisten hatten ihre Nase tief ins Electus-Glas gesteckt. Etwa Jancis Robinson, die Grande Dame der Weinjuroren: «Sehr komplexe Nase, erstaunlich vielschichtiges und langes Finale. Eher kantig als lieblich, ein subtiler Wein.» Jancis Robinson bekannte aber, dass sie diesen Wein nicht einer Weinregion und schon gar nicht der Schweiz zuordnen konnte. René Gabriel, der Schweizer Bordeaux-Papst, verglich den 2011er mit dem 10er: «Sehr dunkle Farbe, ausladendes Bouquet. Im Gaumen ist dieser Multi-Blend samtig, füllig, fast cremig. War der erste Jahrgang 2010 ernst und introvertiert, hat der 11er eine erotische Ausstrahlung.» René Gabriel verlieh 19 von 20 möglichen Punkten. Zum Preis meinte er: «Die besten Schweizer Weine dürfen im Markt auch das Preisniveau vergleichbarer Weltklasseweine erreichen.» Nötig sei, so Gabriel, mehr Respekt und Anerkennung des einheimischen Weinschaffens.