Text: Elsbeth Hobmeier

Lange Geschichte, grosseTradition. Einst gehörten die Rebberge, die sich bei La Neuveville malerisch dem Ufer des Bielersees entlang ziehen, verschiedenen Klöstern. Infolge der Reformation wurden sie verstaatlicht und kamen in den Besitz der Stadt und Republik Bern. Seit 1852 ist das Rebland der städtischen Finanzdirektion unterstellt und wird von einem Rebgutverwalter bewirtschaftet. Dies ist seit genau 115 Jahren immer dieselbe Familie, die Familie Louis: Im Jahr 2000 hat der jetzige Kellermeister Hubert Louis von Vater Jean-Pierre übernommen, vorher waren sein Grossvater und Urgrossvater am Ruder und legten den Grundstein für die grosse Sortenvielfalt und Qualität, welche die Weine mit dem Berner Bär auf dem Etikett auszeichnen. Als Meilenstein in der neusten Geschichte darf die gelungene Umstellung des gesamten Betriebs auf den biologischen Anbau gelten. Ab dem jüngsten Jahrgang 2022 wird der Wein das Zeichen mit der Biosuisse-Knospe führen. Grosses Bild oben: Thomas Berner (l.) und Hubert Louis.

 

Grosse Pläne. Zurzeit wird auf der Lorette, wie das inmitten seiner Reben alleinstehende Gutsgebäude im Volksmund heisst, heftig gebaut. Neben dem grossen imposanten Herrschaftshaus und dem 1970 erbauten Kellerei- und Keltereigebäude entsteht eine neue Scheune, welche künftig für Fahrzeuge, Werkgeräte und auch ein Carnotzet für Degustationen dienen wird. Dadurch wird Raum frei, der künftig für Wohnungen genutzt werden kann. Fünf Mietwohnungen werden hier ab 2023 zur Verfügung stehen. Dank einer neuen Solaranlage kann der Betrieb künftig auf weitgehende Eigenversorgung umstellen, ein umweltfreundlicher Waschplatz für alle Geräte kann von den Winzern der Region mitgenutzt werden. Bei diesen grossen administrativen Aufgaben wird Hubert Louis seit zwei Jahren von Geschäftsführer Thomas Berner entlastet, der als ehemaliger Verkehrsplaner in der Bundesverwaltung grosse Erfahrung in Projektarbeit mitbringt, so dass sich der Kellermeister und Önologe seither vollumfänglich der Weinbereitung widmen kann.

 

Abtrünniger Inselwein. Nicht nur die Gebäulichkeiten, auch der bisherige Sortenspiegel erfährt eine Verjüngung. Neu angepflanzt haben Louis und Berner mit ihrer Equipe dieses Jahr zwei sogenannte Piwi-Sorten, pilzresistente Reben, die weniger Spritzungen verlangen und daher umweltverträglicher sind. Bei den Weissen ist dies ein Sauvignac, bei den Roten eine Kreuzung mit dem etwas schwierigen Namen CAL 1-28, welche die bisherigen Rotweine aus Pinot noir, Gamaret und Divico ergänzen wird. Ganz neu ist zudem ein Orange Wine, der ohne Schwefel und andere Zusatzstoffe aus Chasselas vergoren wurde. Eine grosse Veränderung steht Ende 2023 ins Haus: Die Burgergemeinde Bern will die 5 Hektar Reben auf der Sankt-Petersinsel anderweitig  verpachten, welche bis anhin vom Stadtberner Rebgut gekeltert wurden. «Damit werden wir nur noch unsere eigene Weinlinie betreuen, was unsere Arbeit etwas vereinfacht», erklärt Thomas Berner. Natürlich finde er diese «Separierung» der Burger schade, aber er freue sich, dass die Stadt Bern nach wie vor unverbrüchlich zu ihrem schönen Rebbesitz am Bielersee stehe und dessen Weine auch an allen wichtigen Anlässen ausschenke.

 

Das liegt im Keller: Schafiser Bielersee AOC: Chasselas, Pinot noir, Oeil de Perdrix, Chardonnay, Pinot gris, Sauvignon blanc, Chardonnay barrique, Gamaret barrique, Pinot noir barrique, Jubiläumswein (Cuvée blanc & rouge), Süsswein Dolce vita. St. Petersinsel AOC: Chasselas, Pinot noir, Oeil de Perdrix, Chardonnay, Pinot gris, Savagnin blanc, Philémon barrique, Schaumwein Les Rêveries. Marc, Weindrusen/Lie.

 

Coup de Coeur: Hubert Louis mag ganz besonders den frischen, fruchtigen Sauvignon blanc. Thomas Berner steht eher auf Rot, nämlich auf den kräftigen, erdigen Gamaret barrique mit seinen Aromen von Waldbeeren.

 

Das passt zusammen: Zum weissen Sauvignon blanc isst Hubert am liebsten Fisch aus dem Bielersee - aber auch Muscheln oder Austern passen bestens dazu. Zum Gamaret darf es für Thomas Berner gerne ein schönes Stück Fleisch sein oder ein guter cremiger Risotto. 

 

Drei Restaurants mit Stadtberner Wein: Bären Laupen, Landgasthof Schönbühl, Ratskeller Bern.