Text: Elsbeth Hobmeier | Fotos: Hans-Peter Siffert
Überlegter Schnitt – guter Wein. In der Luft liegt Rosmarinduft. Bienen summen. Vom Meer her weht ein sanfter Wind, «Le Marin» genannt. «Er ist wertvoll für die Reben, er bringt ein wenig Feuchtigkeit», erklärt Guillaume Barraud, der seit 2018 als Direktor die Weingüter des Familienunternehmens von Gérard Bertrand leitet. Stolz führt er durch die Parzellen in La Clape, südlich von Narbonne, wo Mitarbeitende gerade die Rebstöcke zurückschneiden. «Ein überlegter Schnitt ist die Grundlage für einen guten Wein», sagt er. Und zeigt gleich, welche Triebe wegmüssen und welche weiterwachsen sollen. Grosses Bild oben: Gérard Bertrand im Orange-Keller.
Das Reich des Syrahs. Aber in La Clape stimmt nicht nur der Schnitt, sondern auch das Drumherum. Es ist die trockenste Gegend im Languedoc, zudem wehen hier 13 verschiedene Winde aus allen Richtungen. Sie ersticken Krankheiten und Fäulnis im Keim. Die Gegend ist wild, mit schroffen Kalkfelsen und üppigem Buschland. «Es ist das Königreich des Syrahs», sagt Barraud. Neben dieser Hauptsorte wächst vor allem die kräftige rote Mourvèdre. Und auch die weisse Bourboulenc, quasi eine Ureinwohnerin der Region, die heute aber eher unbedeutend geworden ist. «Obwohl sie schon vor den Römern da war», so Guillaume Barraud.
Direktor Guillaume Barraud zeigt den Rebschnitt.
Die Top-Parzellen werden vom Maultier Vanina bearbeitet.
Eine Mitarbeiterin namens Vanina. Ein archaisches Gespann kreuzt den Weg. Das Maultier Vanina zieht gemächlich einen Pflug hinter sich her, der Bauer Bastien Fabre lenkt ihn den Rebzeilen entlang, gräbt die Blumen und Kräuter unter. Es ist eine zeitraubende Angelegenheit, aber die beiden Männer sind überzeugt, dass der Boden damit weit schonender behandelt wird als mit einem Traktor. «Das ist absolut im Sinn der Biodynamie», so Guillaume. «Aber natürlich schafft Vanina nur einen winzigen Teil unserer Fläche.» Sowieso mache das Tier nur dann mit, wenn es Lust auf Arbeit hat. Manchmal bringe er die Mulistute kaum aus dem Stall, sagt Bauer Fabre und lacht, «dann brauche ich sehr viele Karotten, um sie umzustimmen.»
Es geht auch ohne Sulfite. Seit 15 Jahren ist Coop Schweiz wichtiger Partner der Weingüter von Gérard Bertrand. Während dieser Zeit wurden eine imposante Reihe von Weinen entwickelt, die in der Schweiz sehr gut ankommen: etwa die Linie «Naturae», die ohne Sulfite auskommt. Deren Weine gibt es weiss (Chardonnay), rosé (Syrah) und rot (Cabernet Sauvignon). Und unter der Villa Soleilla, Teil des Fünf-Sterne-Hotels L’Hospitalet, hat Besitzer Gérard Bertrand einen futuristischen Keller bauen lassen – hier werden neuerdings auch Orange Wines produziert.
Hier bläst der «Marin» vom Meer her: Weinberge in der La Clape.
4000 Flaschen starten eine Revolution. Zu sehen sind tönerne Amphoren, gläserne Wineglobes und viele kleine Holzbarriques. Kellermeister Benoît Amiel presst und verarbeitet die Traubensorten Grenache Blanc, Vermentino, Viognier und Roussanne separat. Vergärt und keltert sie in den verschiedenen Gefässen, führt während neun bis elf Monaten exakt Buch über ihre Entwicklung und mischt sie danach zu einer Assemblage, die den hohen Anforderungen des Besitzers Bertrand genügt. «Wir revolutionieren hier gerade den Orange Wine», sagt dieser selbstbewusst. Erst 4000 Flaschen würden zurzeit davon abgefüllt – aber es sollen mehr werden. Sie werden bald schon die gehobene Gastronomie erobern, davon ist der Bio-König aus dem Languedoc überzeugt.