Grégory Rohmer, Sie haben sich frisch in den Schweizer Wein verliebt. Wie kam es dazu?
Vor einigen Wochen war ich anlässlich des «Swiss Wine Tasting» in Zürich. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich auf Chasselas fokussiert – eine Sorte, die bei uns im «Stucki» nicht allzu gefragt ist. Ich wurde überrascht.
Inwiefern?
Wie sehr mich Schweizer Weine begeistern können. Man hat im Weinbau in den letzten 20 Jahren qualitativ so grosse Sprünge gemacht wie sonst nirgends. Und aufgrund des Klimawandels dürfte die Tatsache, dass hierzulande einige der höchsten Weinberge in ganz Europa zu finden sind, dieser Entwicklung noch mehr Schwung geben.
Gilt Ihre Liebe einer bestimmten Region?
Sehr überrascht haben mich die Weissweine aus der Bielerseeregion, zum Beispiel diejenigen von Martin Hubachers Johanniterkeller. Dort ist das Klima kühler als in der Bündner Herrschaft oder in Hallau – das dürfte auch in kommenden Jahren begünstigend wirken.
Wie sieht es mit anderen weissen Sorten aus?
Ich bin auf schöne Sauvignon Blancs und Müller-Thurgaus aus der gleichen Gegend gestossen. Empfehlen kann ich ebenso die Weissweine von den Walliser Gütern Ozenit oder Denis Mercier. Gelungen ist nicht zuletzt der Viognier von Erich Meier am Zürichsee, auch wenn er natürlich weniger breit, viel frischer daherkommt als sein französisches Pendant. Dasselbe gilt für den Viognier 2021 von Möhr-Niggli. Er dürfte ganz gut zu geräuchertem Saibling passen.
Und die Schweizer Rotweine?
Dass wir in der Schweiz hervorragende Pinot Noirs keltern können, ist bekannt. Trotzdem hat mich der «Unter der Linde 2021» von der Aargauer Domäne Zur Linde ziemlich umgehauen. Ebenso die in nur geringen Mengen erhältlichen Weine desselben Jahrgangs vom Weingut Chanton in Visp.
Sie schwärmen also vom Jahrgang 2021 – was zeichnet ihn aus?
Zuerst: Es war für die Winzerinnen und Winzer kein einfaches Jahr! Der milde Winter führte zu einer frühen Blüte. Im Frühjahr folgten Regen, Hagel und Fröste. Und bis in den Juli hinein war die Niederschlagsmenge herausfordernd. Gefühlt herrschte fast sechs Monate lang ein sogenanntes «Aprilwetter»! Es gab teilweise Ausfälle von 50 Prozent.
Sind die Weine nicht gut?
Doch! Wer im Weinberg den vollen Einsatz zeigte; wer auf althergebrachte Erfahrungen früherer Generationen setzen konnte, brachte sehr überzeugende Weine auf die Flasche. Und, das empfinde ich als besonders positiv, sie können jetzt schon getrunken werden! Man braucht nicht – wie so oft – zehn Jahre oder mehr auf die optimale Genussreife zu warten.
Oft wird behauptet, Schweizer Wein sei vergleichsweise teuer.
Ich bin nicht unbedingt dafür, dass man französischen Burgunder etwa von Grivaud mit einem halb so teuren Pinot Noir von Maison Carrée in Auvernier NE vergleicht. Es sind komplett unterschiedliche Tropfen. Aber: Der Aufwand, den die Winzer hineinstecken und das Qualitätslevel, das sie damit erreichen, sind ähnlich. Der Preis aber nicht.
>> Grégory Rohmer ist seit Oktober 2017 Sommelier und Gastgeber bei Tanja Grandits. Für den Weinkeller des «Stucki» in Basel ist der gebürtige Elsässer stets auf der Suche nach Raritäten. www.tanjagrandits.ch
Fotos: Nik Hunger