Text: Siméon Calame
Winemaker? Eher Philosoph! Winzer Benoît Dorsaz in Fully VS markiert nicht den Winemaker. Er sieht sich als ein Philosoph, der den Wein liebt. Man begreift ihn, wenn man ihn in seine Rebhänge in den Follatères begleitet, in dieses Stück Erde vor dem «Knie» von Martigny, zwischen einem Bergwald und der Rhone, wenn man ihm zuhört, wie er von diesem Ort hier erzählt und seiner Vielfalt an Biodiversität. Inmitten von alldem erkennt man seinen grössten Antrieb: Ausgeglichenheit und Vielschichtigkeit.
Nur der Geschmack zählt! Trotz eines Vaters, der Winzer war (und seinen Wein ab 1973 offen verkaufte), war Benoît das einzige der sechs Kinder, das Passion für den Wein verspürte. 1986 erbte er eine Parzelle mit Chasselas, später pachtete oder kaufte er die gesamte elterliche Domäne von seinen Geschwistern, um sie mit seiner Gattin Maryline zu bewirtschaften. «2003 haben wir beschlossen, die Rebfläche nicht mehr zu vergrössern,» erklärt er, «wir lehnten sogar gute Angebote ab, weil wir nicht in eine Spirale der Überproduktion geraten wollten. Wir haben schon so keinen Mangel an Arbeit!». Dass sich die Dorsaz von allem Anfang an für den biodynamischen Anbau entschlossen, machte die Sache auch nicht einfacher. «Der Entscheid fiel bei einer Blinddegustation von rund dreissig Flaschen, bei der drei Weine von Marie-Thérèse Chappaz absolut herausstachen.»
Verblüffende Weine. In späteren Jahren waren es seine eigenen Weine, welche die Kunden verblüfften. Auch wenn Benoît Dorsaz «einer breiten Masse kaum bekannt» ist, wie er meint, kennen die Weinliebhaberinnen und -liebhaber sehr wohl seinen Namen. Sein Viognier, den er sechs Monate im Barrique ausbaut, ist schon sehr bald spritzig und dynamisch, während sich die Petite Arvine erst nach einigen Monaten in der Flasche öffnet und ihre Eleganz offenbart. Übrigens macht Benoît Dorsaz, obwohl Fully als Heimat der Arvine gilt, auch einige Rotweine wie der Gamay Clos Follatères oder den Syrah Quintessence. Er sei vor allem auf den Menschen bezogen, lächelt der Mann, der einst zwischen Winzer und Erzieher schwankte: «Die Leute sollen sich nach dem Trinken eines meiner Weine besser fühlen als zuvor. Ich kann mir keine schlechte Qualität leisten». Und wenn sie niemand kaufen möchte, dann, so sagt er, «würde ich sie alle mit meinen Freunden trinken!»
Das liegt im Keller: Weisse: Fendant de Fully, Viognier de Fully, Petite Arvine Les Perches de Fully; Rote: Cornalin Les Perches, Strepitus (Assemblage von Merlot, Gamay, Gamaret, Pinot noir und Cornalin), Gamay Clos Follatères, Pinot noir Clos Follatères, Galotta Clos Follatères. Sélection Quintessence (18 Monate Ausbau im Barrique): Petite Arvine de Fully, Merlot, Cabernet franc, Humagne rouge, Syrah de Fully, Cornalin.
Coup de Coeur: «Ich lebe für die Arvine Les Perches. Die Lage ist herrlich, der Boden entspricht perfekt den Anforderungen dieser Rebe, der Ausbau auf feinen Hefen verleiht ihr jene Spannung, die ich schätze und suche.»
Das passt zusammen: «Eine Poularde an guter cremiger Sauce mit einem Glas Petite Arvine «Quintessence», nach zwei oder dreijähriger Lagerung.»
Drei GaultMillau-Chefts mit Weinen von Benoît Dorsaz: Kévin Vaubourg im Restaurant Anne-Sophie Pic im Beau-Rivage Palace in Lausanne (18 Punkte), Jérémy Desbraux im Maison Wenger in Noirmont (18 Punkte), und Mathieu Biolaz im Touristes in Martigny (15 Punkte).