Text: Elsbeth Hobmeier Fotos: Hans-Peter Siffert
Das Château von Auvernier. Ein imposantes Anwesen. Das Schloss prägt das Bild des hübschen Winzerdorfs Auvernier am Neuenburgersee. Aber seine Besitzerfamilie prägte in den letzten Jahrhunderten auch die Geschichte des Kantons und der Schweiz. Die Vorfahren wirkten als Staatsräte, Gouverneure und Offiziere, die Frauen hielten das Gut am Gedeihen und Wachsen. «Die Tradition übernehmen, pflegen und weitergeben war und ist die Devise einer jeden Generation», umreisst Thierry Grosjean das Motto. Er übernahm das Zepter 1977 und baute das Gut zu dem aus, was es heute ist: 15 verschiedene Weine, 64 Hektar Rebfläche, grösster Einkellerer des Kantons Neuenburg, Export in fünf Kontinente. Und der wichtigste Produzent des Oeil de Perdrix, dem typischen Neuenburger Rosé, der auf kaum einer Karte der Schweizer Restaurants von Rang und Namen fehlt. Bald steht wieder ein Generationenwechsel an. Thierry Grosjean, der nicht nur als Winzer, sondern auch in Politik und Militär Karriere machte und als Präsident die Geschicke der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses leitete, wird das Weingut und Schloss per Januar 2022 an seinen jüngsten Sohn Henry Aloys übergeben. Das wurde im Schoss der Familie und mit Einverständnis der drei älteren Geschwister so beschlossen.
Klassiker & Spezialitäten. Es werde keinen abrupten Wechsel, sondern einen sanften Übergang geben. Davon sind der Vater wie auch der 30-jährige Sohn überzeugt. Gearbeitet wird möglichst umweltbewusst, die Reben sind nachhaltig bewirtschaftet, Solarmodule liefern bereits einen Drittel des benötigten Stroms. Einst gab es auf Château d’Auvernier einzig einen Chasselas, Pinot Noir und Oeil de Perdrix. Heute ist das Spektrum weit vielfältiger. Chardonnay, Pinot gris und Sauvignon blanc ergänzen als ausdrucksstarke Spezialitäten das Weisswein-Angebot. Der Pinot noir gefällt als traditionelle Cuvée, aber auch aus den Einzellagen Les Argiles und Les Grand’Vignes. Und auf welche Weine ist Henry Aloys Grosjean, der künftige Schlossherr, persönlich stolz? «Natürlich auf alle», sagt er. Den Chasselas Non-Filtré und den Pinot gris tardive schätze er speziell, aber der Pinot noir Tradition bleibe sein Liebling, «der ist so was von süffig und unkompliziert», schwärmt er.
Das Biogut mit dem Marienkäfer. Weiter nach St-Aubin-Sauges. Dort steht die Caves de la Béroche, die älteste Winzergenossenschaft des Kantons Neuenburg. Ihre Weine werden strikt in zwei Linien getrennt: Hier die biologischen «Coccinelles», da die traditionellen Weine mit dem Béroche-Label. Die Geschäfte der Genossenschaft leitet seit 2007 der Önologe Caleb Grob. Er keltert auch die Weine der Domaine Les Coccinelles, einer Schweizer Bio-Pionierin. Seit 1992 tragen die Flaschen das Bio-Knospen-Label, sie begründeten die Naturaplan-Linie von Coop mit. «Es waren die ersten Bioweine im Coop-Sortiment», sagt Pierre Lambert, der Besitzer von 20 Hektaren Rebland in Gorgier und Vaumarcus, der alle seine Trauben in die Béroche-Genossenschaft liefert. Heute - nicht zuletzt dank ihm - sind 30 Prozent der Neuenburger Weine Bio, «das liegt weit über dem Schweizer Durchschnitt», betont Lambert. In seinen Weinbergen wirken Nützlinge wie der Marienkäfer und eliminieren Insekten und Schadmilben. Deshalb ziert der Marienkäfer (Coccinelle) auch jede Weinflasche der Domaine.
Weine mit Weltklasse-Potenzial. «Master of Wine» Jan Schwarzenbach, Weinprofi bei Mondovino, ist überzeugt: «Die Pinots vom Neuenburgersee sind etwas Besonderes. Sie zeigen das Potenzial für Weltklasse.» Er schätzt auch den Chasselas Non Filtré: «Ein interessanter Wein mit Tradition.» Dass er stets beliebter wird, erstaune ihn nicht. Er sagt: «Der Trend zu ursprünglichen, authentischen und regionalen Produkten ist deutlich festzustellen.»