Text: Elsbeth Hobmeier I Foto: Phil Wenger

Seilschaft und Gipfelstürmer. Spiezer Alpine Weinkultur. Unter diesem selbstbewussten Label tritt die einstige Rebbau Spiez Genossenschaft seit einiger Zeit auf. Zwar ist die Organisationsform immer noch eine genossenschaftliche, so wie seit 1927, aber unter der Ägide der Betriebsleiterin und Kellermeisterin Ursula Irion hat sie zum Höhenflug angesetzt. Ihre Flaggschiff-Linie heisst «Gipfel-Weine», auf den Etiketten steht «Spiezer Seilschaft» und «Spiezer Gipfelstürmer». Die studierte Kulturgeografin, die erst später zur Winzerin wurde, hat das Klima ihrer Region genau beobachtet: «Klar liegen wir am Ufer des Thunersees. Aber der Einfluss der Berge mit frischem Wind, alpengeprägten Staulagen, unterschiedlichen Wettereinbrüchen ist stärker und beeinflusst unsere Rebberge enorm», erklärt sie. Dieses alpine Klima ergibt besonders frische und fruchtige Weine mit Eleganz und Struktur, «diese Eigenschaften suchen wir und spielen sie bewusst aus, wir sind eine tolle Weissweinregion», betont sie. Sie verschweigt aber auch nicht, dass «wir oft auch leidgeprüft sind» und wie 2021 nur kleine Ernten einfahren können. Deshalb wurde den beiden bisherigen Kategorien «Berg-Weine» und «Gipfel-Weine» die Linie «See- und Bergfreunde» zugesellt mit Weinen wie die Cuvée Va Bene, die aus dem zugekauften Traubengut befreundeter Winzer aus anderen Landesteilen vinifiziert werden.

 

Vielversprechende Piwi-Sorten. Es ist noch nicht so lange her, da bestellte man in Spiez einfach «einen Roten» oder «einen Weissen», fertig, mehr gab es nicht. Die Palette hat sich heute gewaltig vergrössert, die aktuelle Liste umfasst 18 verschiedene Etiketten. Zwar wachsen auf dem Grossteil  der 13 Hektaren umfassenden Rebfläche nach wie vor die üblichen Riesling-Sylvaner- und Blauburgunder-Trauben, wie hier der Pinot noir genannt wird. Aber pilzwiderstandsfähige Neuzüchtungen, sogenannte Piwi-Sorten, sind auf dem Vormarsch und belegen heute bereits gut 20 Prozent. «Sie sind weniger anfällig, brauchen weniger Pflanzenschutz», sagt Ursula Irion, die als Fernziel ihre Reben irgendwann gern biologisch bearbeiten möchte. Besonders gut bewähren sich die beiden weissen Sorten Sauvignac und Souvignier Gris sowie der rote Cabernet Jura. Diese Weine aus Spiez gelten heute bereits schweizweit als Vorbilder und Marksteine. Ein schöner Erfolg und grosse Bestätigung für den von Ursula Irion und ihrem Team eingeschlagenen Weg.

 

Anspruchsvolle Lagen. Bei Grossverteilern sucht man die Spiezer alpinen Weine vergebens, aber in der regionalen Gastronomie sind sie sehr präsent und auch sehr gefragt. Ebenso bei der grossen Privatkundschaft: Von Montag bis Freitag jeden Morgen kann man im kleinen eigenen Laden an der Schlossstrasse 8 einkaufen, am Mittwochabend und Samstag vormittag (April bis Juni) darf dort auch degustiert werden. In diesem Gebäude lagern die Weine, gekeltert und abgefüllt werden sie jedoch im Keller des benachbarten imposanten Schlosses Spiez. Am Rebbergweg  startet auch der Lehrpfad mit zwölf Info-Tafeln, der in rund eineinhalb Stunden durch den Rebberg führt. «Es sind einzigartige Lagen», schwärmt Ursula Irion, deren Herz für die Berge und für alpine Weine mit Ecken und Kanten schlägt, «aber man muss ihnen den Ertrag abringen, oft im Schweisse unseres Angesichts».

 

Das liegt im Keller: Bergweine: Spiezer Einisch Anders (Riesling-Sylvaner Spontan), Gipfelstürmer, Sauvignac, Explosion (Schaumwein Rosé); Gipfel-Weine: Seilschaft (Sauvignac/Souvignier Gris), Wildstrubel (Sauvignac Nature), Blauburgunder Barrique, Cabernet Jura Barrique, Jubilé (Schaumwein Blauburgunder); See- und Bergfreunde: Cuvées Escapade, Intro, Intro Barrique, Va Bene Weiss, GT/RS/Muskat, Rosé, Rot, PétNat, Cidre. Spirituosen, Balsam-Essig.

 

«Coup de Coeur»: «Unser Sauvignac, eine interspezifische Neuzüchtung von Sauvignon × Riesling und Resistenzpartner, ist unglaublich frisch, fruchtig und gehaltvoll».

 

Das passt zusammen: «Zu einem Glas Sauvignac esse ich am liebsten Felchen oder Spargel - je nach Jahreszeit».

 

Drei Restaurants mit Spiezer-Weinen: La Terrasse im Victoria-Jungfrau Grand Hotel Interlaken  (17 Punkte); Restaurant Belle Epoque im Hotel Eden Spiez (13 Punkte); Café 3692 in Grindelwald. 

 

>> www.alpineweinkultur.ch