Jan Schwarzenbach, erwarten uns hinsichtlich Schweizer Wein Jahrgang 2017 leere Regale?
Das tönt jetzt sehr dramatisch. Aber es ist schon so, dass von einigen Regionen weniger Wein da sein wird. Der schlimme Frost hat je nach Lage und Traubensorte viel vernichtet, vor allem in jenen Rebbergen, wo sich die kalte Luft ansammeln konnte und wo die Triebe bereits entwickelt waren. Leer werden unsere Regale nicht sein, aber Weine, die sehr gefragt sind, könnten noch rarer werden, etwa die Waadtländer Weissen oder die Bündner Weine.
Der Frost von Ende April hat die Rebenblüte in vielen Regionen stark beschädigt oder gar zerstört. Welche Gegenden hat es besonders schlimm getroffen?
Eigentlich sind alle Schweizer Weinregionen in Mitleidenschaft gezogen, besonders schwere Schäden meldet die gesamte Deutschschweiz von Baselland über den Aargau, Zürich, Schaffhausen, Thurgau bis ins Rheintal. Aber auch Wallis, Graubünden, Genf, die Innerschweiz und der Vully sind stark betroffen. Weniger frostig war es im Tessin, der Waadt sowie an Bieler- und Neuenburgersee.
Wie steht es in unseren Nachbarländern? Auch diese erlitten kapitale Frostschäden.
Das spanische Riojagebiet zum Beispiel meldet schwere Verluste, dort waren jedoch die beiden letzten Jahrgänge sehr stark - vielleicht lässt sich der Ausfall mit grösseren Einkäufen beim 15er und 16er überbrücken. Besonders betroffen waren frühblühende Sorten, etwa der Gewürztraminer im Elsass. Beim Bordeaux zeigt sich eine recht unterschiedliche Lage: Frost auf der Pomerol- und Saint-Emilion-Seite, weniger im Médoc und Graves. Beim Prosecco traf es vor allem die DOC-Gebiete, die DOCG-Zone wurde weit weniger stark beschädigt.
Wie reagiert Coop/Mondovino auf diese zu erwartenden Minimalernten?
Ich bin überzeugt, dass die Winzer alles daran setzen werden, uns trotz allem nach Kräften zu beliefern. Und unser Einkauf wird sich bemühen, die Lücken zu schliessen, sei es mit anderen Traubensorten aus denselben Regionen, sei es mit anderen Jahrgängen. Das kann natürlich eine gewisse Sortimentsveränderung nach sich ziehen.
2016 ging der Schweizer Weissweinkonsum um 13 Prozent zurück, der Rotweinmarkt verlor 6 Prozent. Verschärft sich diese Situation jetzt noch zusätzlich?
Ja, der Konsum ist etwas rückläufig. Es ist jedoch schwer vorauszusagen, wie sich der Markt entwickeln wird. Die Menge an Reserven spielt eine Rolle. Und falls der Jahrgang 2018 sehr gut und quantitativ grösser wird, würde das die Lage wieder entschärfen - aber das alles wissen wir heute noch nicht.
Viel zu reden und zu schreiben gaben in den letzten Wochen auch zu hohe Pestizidrückstände bei einigen Winzern. Kontrolliert Coop ihre Lieferanten in diesem Bereich?
Beim Biowein haben wir sehr strenge Kontrollen, jeder Wareneingang wird auf rund 70 Pestizide geprüft - übrigens wurde bisher noch nie etwas Unerlaubtes gefunden. Bei allen anderen Weinen werden regelmässig Stichproben gemacht.
Wie wichtig ist der Schweizer Wein im Coop-Sortiment?
Er ist ganz klar unser wichtigster Wein. In Anzahl Flaschen gerechnet belegt die Schweiz rund 20 Prozent, punkto Umsatz sind es 25 bis 33 Prozent, weil sich die einheimischen Weine durchschnittlich im etwas höheren Preissegment bewegen. Der gesamte Anteil ist stabil - aber er wäre wohl steigend, wenn wir immer genügende Mengen zur Verfügung hätten! Denn der Schweizer Wein ist bei unseren Kunden beliebt und erfreut sich einer grossen und immer grösseren Nachfrage.
>> Jan Schwarzenbach (geboren 1976), ist Leiter Direktverkauf Wein am Hauptsitz von Coop in Basel. Im März 2016 absolvierte er erfolgreich die Prüfung als Master of Wine MW - eine äusserst schwierige Ausbildung, die in der Schweiz zuvor erst drei Fachleute bestanden haben.
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