Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder

Leidenschaft für Wein. Sie ist jung, cool und hat eine brennende Leidenschaft für Wein: Die 30-jährige Lisa Bader ist «Sommelier des Jahres» im GaultMillau und an diesem Samstag hat sie Grosses vor. Viermal im Jahr sucht sie mit ihrem Chef, 19-Punkte-Koch Heiko Nieder die Weine für das neue Menü im «The Restaurant» aus. Das Team im Swiss Deluxe Hotel The Dolder Grand betreibt dabei einen Aufwand wie wohl nirgends sonst in einem Schweizer Gourmetlokal.

 

35 Weine, 10 Gerichte. Zu diesem Zweck stellt Bader für jedes Gericht, das Nieder neu ins Programm nimmt, eine Auswahl von Weinen zusammen, rund 35 verschiedene Flaschen sind es für 10 Gerichte, und am Ende des ausgedehnten Tastings über mehrere Stunden, steht für jede Küchenkreation die passende Flasche fest. Dabei wird auf unterschiedliche Traubensorten, Herkunftsregionen oder Machart geachtet, am Ende soll die Weinbegleitung möglichst abwechslungsreich, interessant und natürlich passend zu den Gerichten sein.

Lisa Bader 2020

Ein Super-Walliser von Charles Bonvin: Lisa Bader kennt sich auch bei den Schweizer Winzern aus. 

 

 

 

Fasziniert vom Weinland Schweiz. Als Deutsche sei für sie das Weinland Schweiz auf Grund seiner enormen Vielfalt so spannend, sagt Lisa Bader: «Das beginnt bei den verschiedenen autochtonen Rebsorten im Wallis und geht bis zu den international bewährten Grössen wie Pinot Noir oder Chardonnay in der Bündner Herrschaft.» Erst kürzlich habe sie bei Patrick Adank in Fläsch einen Pinot Gris von 2003 blind verkostet, der sie total überrascht habe. Adank verstehe es, den Weinen ihre Eigenheiten zu lassen, sie aber trotzdem auf hohem Niveau professionell auszubauen, was gerade bei einem Weisswein aus einem besonders heissen Jahr eine hohe Kunst sei. «Anhand des hervorragend herausgearbeiteten Charakters eines Weines merkt man dann schnell, dass jemand dahintersteckt, der sein Handwerk versteht», findet Bader. Und: Winzer mit diesen herausragenden Fähigkeiten gebe es viele in der Schweiz, was aus Sicht einer Sommelière viel zur Attraktivität ihrer Wahlheimat beitrage.

WineTasting at The Dolder Grand 2020

Auf dem Weg nach oben: Lisa Bader im «The Restaurant».

WineTasting at The Dolder Grand 2020

Aus 35 Weinen wird für 10 Gerichte die passende Flasche ausgewählt.

Was passt zu Anis? Zurück zum Tasting im «Dolder Grand». Gleich zu Beginn herrscht allerdings Uneinigkeit. Bei der Kombination aus Jakobsmuschel mit Kaviar findet Heiko Nieder, «das Gericht kommt nicht zurück, der Wein ist zu dominant», und fordert «etwas, was mehr zu Anis passt». Anisblüten, Fenchel und Dill haben in dem Gericht eine starke aromatische Ausstrahlung. Lisa Bader schlägt einen Sauvignon sowie einen südafrikanischen Swartland Chenin Blanc vor, aber am Ende wird die Entscheidung aufgeschoben.

 

Ruhig und unerschrocken. Die 30-jährige Sommelière lässt sich weder in ihrem beruflichen Alltag noch bei diesem sportlichen Tasting aus der Ruhe bringen. Unerschrocken verteidigt die junge Weinfachfrau gegenüber ihrem erfahrenen, vielfach ausgezeichneten Chef ihre bisweilen exotische Auswahl, und ebenso ruhig tritt sie im Restaurant selbst erfahrenen Gästen und Weintrinkerinnen gegenüber und beeindruckt mit fast enzyklopädischem Wissen über Klimabedingungen, Bodenbeschaffenheit, PH-Werten, Winzerpersönlichkeiten und weiteren Details, welche jedes Glas zu einem besonderen Erlebnis machen. Lisa Bader mögen ein paar Erfahrungsjahre noch fehlen. Aber das macht sie mit Fachwissen, Neugier und Leidenschaft mühelos wett.

WineTasting at The Dolder Grand 2020

Jakobsmuschel mit Kaviar und Anis-Aromen von Heiko Nieder.

WineTasting at The Dolder Grand 2020

Für jedes neue Menü wird eine passende Weinbegleitung gesucht.

Fernziel: Master of Wine. So punktet die junge Deutsche nicht bloss mit Daten und Fakten zu Weinen und Anbaugebieten, sondern vor allem mit Begeisterung. Sie kann über einen schlichten Riesling aus dem Rheingau ins Schwärmen geraten, und wenn sie beschreibt, wie sie an freien Tagen abends ein kleines Tasting bei sich zu Hause veranstaltet, weil sie gerade ein paar aufregende Neuentdeckungen gemacht hat, zieht sie selbst konsequente Mineralwassertrinker mit der Liebe zum Wein in ihren Bann. Aber Leidenschaft ohne Ehrgeiz hat nicht die selbe Antriebskraft. Baders berufliches Fernziel ist die Aufnahme in den erlesenen Zirkel der Master Sommelier, der weltweit bloss 270 Leute umfasst.

 

Einmaliger Tasting-Marathon. «Ich bin hier in einer privilegierten Lage», sagt Bader über ihre Arbeit im «The Restaurant». Gerade der Tasting-Marathon, der viermal im Jahr an einem Samstagnachmittag stattfindet, sei schweizweit einmalig. Sommeliers und Chefköche hätten zwar Riesen-Egos, deshalb sei die Auseinandersetzung um den besten Wein nicht immer ganz einfach, «aber am Ende habe ich die Gewissheit, dass der Wein wirklich zum Gericht passt», sagt die Frau, die sich als «professionellen Mundschenk» bezeichnet.

WineTasting at The Dolder Grand 2020

«Riesen-Egos»: Küchenchef Heiko Nieder und Head Sommelière Lisa Bader beim mehrstündigen Wine Tasting.

Magie der Trauben. Sie habe schon immer gern Wein getrunken, und nachdem sie sich gegen ein Medizinstudium und für einen Abschluss an der Hotel Management School in Montreux entschieden habe, habe sie deshalb 2012 direkt mit der Weiterbildung zur Sommelière weitergemacht. Zurzeit steht Lisa Bader, unterwegs zum Master of Wine, auf der Stufe «Advanced», und dass sie es eines Tages ganz nach oben in der kleinen exklusiven Welt der Weinprofis schafft, kann kaum bezweifeln, wer die junge Frau einmal bei der Arbeit beobachtet und mit ihr über die Magie der Trauben gesprochen hat.

 

Humor, trocken wie ein Riesling. Das grosse Tasting neigt sich um 18 Uhr dem Ende zu, bald treffen die ersten Gäste im «The Restaurant» ein. Der sensorische Marathon von Bader und Nieder ist auch deshalb eine körperliche Spitzenleistung, weil die Weine hier mit den Speisen konsumiert werden müssen und nicht wie sonst bei Geschmacksproben wieder ausgespuckt werden können. «Ich bin Profi», sagt Lisa Bader dazu unbeeindruckt und mit einem Humor so trocken wie ein schöner Riesling.

 

Petit Arvine zum Dessert. Beim Dessert, bestehend aus Pecannuss, Ahornsirup, Kräutern und Sojamilch, fordert Heiko Nieder zum Schluss einen Schweizer Wein. «Das macht den Gästen Freude», weiss der Küchenchef und Lisa Bader stellt einen Petit Arvine Grain Noble 2017 von Marie-Thérèse Chappaz zur Auswahl und hat noch einen weiteren Super-Walliser im Angebot: die Cuvée 1858 aus dem Jahr 2017 von Charles Bonvin Fis. Wallis, Lavaux oder Bündner Herrschaft – an freien Tagen zieht es Lisa Bader oft hinaus in die weite Welt der hiesigen Rebberge, zu Winzern und ihren Weinen. Denn Neues zu entdecken, sagt sie, sei immer noch eine der schönsten Seite ihres Berufs.