Interview: Kathia Baltisberger Fotos: Pascal Grob
Madelyne Meyer, Ihr Buch heisst «Endlich Wein verstehen!» Geben Sie eine Garantie, dass der Leser nach der Lektüre voll den Durchblick hat?
Das hängt von der Aufnahmefähigkeit des Lesers ab (lacht). Ich garantiere aber, dass der Leser eine Ahnung haben wird. Er wird nicht zum Wein-Experten, aber er hat eine gute Ahnung.
Sie sagen, die Weinwelt kann elitär sein. Sie haben sich aber durchgekämpft und sind Expertin, können sich locker behaupten. Wieso ist Ihnen die Weinbildung anderer eigentlich so wichtig?
Wein kaufen ist ein Risiko. Jeder soll einen Wein finden, der dem eigenen Gusto entspricht. Diese Chance besteht zu 50 Prozent, wenn man vor dem Weinregal steht. Dann nehmen Sie einen Wein mit 50 Gramm Restzucker drin, den Sie nicht mögen. Das ist doch rausgeworfenes Geld! Das könnte man zwar von der Etikette ablesen, aber Sie wissen nicht wie. Das gilt auch im Restaurant, wenn Sie eine Weinkarte mit 500 Positionen haben, dann soll man einen wählen können, der allen passt. Nutzen Sie aber auch das Wissen der Sommeliers! Die freuen sich umso mehr, wenn sie ihnen aushelfen können!
Es gibt ja so viele Weinthemen wie Flaschen im Weinregal: Wie sind Sie an das Buch herangegangen?
Weil ich schon Weinkurse gebe, weiss ich bereits, was die Leute interessiert. Deshalb ist mein Buch ähnlich aufgebaut wie die Kurse. Es fängt an mit dem Degustieren, dann folgt ein Teil Anbau und Terroir, Weinausbau und Herstellung und am Ende gibts noch ein Glossar. Diese Informationen habe ich gesammelt und bin dann in die Tiefe gegangen. Das Schreiben war auch gar nicht so eine Sache, das floss einfach so. Was ich aber total unterschätz habe, das waren die Illustrationen. Es ist unglaublich, wie viel Material ich brauchte. Ich war permanent am Zeichnen. Und wie illustriert man eigentlich Säure? Ich wollte ja nicht einfach eine Zitrone hinkritzeln. Also habe ich einen sabbernden Hund gezeichnet, weil Säure den Sabber anregt. Die Frage wie man etwas Komplexes einfach zeichnet, das war eigentlich die grösste Herausforderung.
Unsere Lieblingsillustration ist der «kiffende» Maulwurf auf Seite 71. Welche Seite hat Ihnen am meisten Spass gemacht?
Definitiv die Seite mit dem Food- und Wine-Pairing. Das Stück Pizza macht mich schon sehr fest an.
Was sagen eigentlich Winzer oder Weinexperten der alten Garde, wenn Sie die Chardonnay-Traube mit Beyoncés Haar vergleichen?
Das polarisiert definitiv. Entweder man findet das lustig oder man findets total daneben. Konservativere Menschen würden mir vielleicht weniger zustimmen. Aber die Vergleiche sind ja auch nicht in Stein gemeisselt. Ich glaube einfach, eine solche Assoziation hilft eher, sich an die Chardonnay-Traube zu erinnern, als wenn ich deren Eigenschaften auswendig lerne. Vielleicht ist es zum Teil weit hergeholt, aber es soll einfach eine Lernunterstützung sein. Und mein Credo ist ohnehin: Jeder soll seine eigene Weinsprache entwickeln, jeder definiert selbst, wie er einen Wein in Erinnerung behalten will.
Ihr Buch ist witzig, aber kein Witz. Wie schwierig ist es, einerseits unterhaltsam zu sein und andererseits professionell und fachlich richtig?
Das ist der blanke Horror! Zum einen will ich die Materie stark vereinfachen, gleichzeitig muss alles stimmen. Mir stellte sich immer die Frage: Wie viel kann ich weglassen, so dass es immer noch richtig ist? Einzelne Schritte bei der Weinherstellung auszulassen ist fast unmöglich. Beim Humor musste mich die Lektorin manchmal bremsen. Zum Teil war ich froh um die Inputs, zum Teil fand ich aber, dass das meine Tonalität ist. Am Ende haben sieben Personen das Buch gegengelesen, drei davon sind Fachpersonen.
Das Buch richtet sich ganz offenbar an Weinanfänger. Täte die Lektüre auch einem Experten gut.
Man lernt ja nie aus. Aber ein Experte weiss mit Sicherheit 99 Prozent des Inhalts schon. Einige werden es sicher lesen, um mir auf die Finger zu schauen. Aber man erhält eine neue Perspektive auf die Weinwelt, das schadet sicher nicht. Wichtig ist mir nur: Das Buch ist nicht ausschliesslich für junge Menschen. Nicht jeder, der sich neu für Wein interessiert, ist automatisch jung. Es gibt auch ältere und die wollen auch nicht einfach eine verstaubte Enzyklopädie lesen.
Haben Sie selbst noch etwas gelernt beim Schreiben?
Wie ich mit Frustration und Nervenzusammenbrüchen umgehe! Nein, ich habe wirklich etwas gelernt. Das Thema Dosage oder Zuckerinhalte von verschiedenen Schaumweinen - also was bedeutet brut oder extra brut, sec oder demi-sec - da habe ich viel gelernt. Und beim Begriff Terroir musste ich mich entscheiden, ob der Mensch dazu gezählt wird oder nicht. Das ist eine Grundsatzdiskussion in der Branche.