Fotos: Salvatore Vinci

Mikroklima im Keller. Wo sind sie jetzt, die Hefen? «Überall und nirgends, man weiss es nicht so genau», sagt Alexandre Perrochet vom Weingut La Maison Carrée in Auvernier, NE. Die unsichtbaren Mikroorganismen, die aus Traubensaft Wein herstellen, seien in der Luft und in den Gemäuern. Dies sei auch der Grund dafür, ergänzt der Winzer in siebter Generation, warum man den Keller niemals mit heissem, sondern bloss mit kaltem Wasser reinige. Und ein wenig Respekt vor dem geplanten Kellerausbau habe, der das Mikroklima durcheinanderbringen könnte. Schliesslich funktioniere die Vergärung, die bei ihnen spontan – also ohne Zugabe von Zuchthefen – vonstattengehe, seit zwei Jahrhunderten tadellos. Grosses Bild oben: Vater Jean-Denis Perrochet mit Sohn Alexandre (l.) in den Reben.  

Schimpfen mit den Hefen. Vater Jean-Denis Perrochet und sein Sohn Alexandre pflegen allem Anschein an ein enges Verhältnis zu «ihren» Hefen. «Wir Menschen haben die meiste Arbeit in den Monaten Mai, Juni und Juli in den Weinbergen – über den Winter im Keller sind dann sie am Zuge.» Spricht man denn mit diesen Lebewesen, auf die man praktisch blind vertraut? «Nicht, solange alles funktioniert», sagt der Vater schmunzelnd. «Wir schimpfen erst dann mit den Hefen, wenn sie zu langsam sind.»  

Maison Carrée in Auvernier, NE Alte Reben ( 40 -100 Jahren alt ) Fotografiert am 21.06.2024

Auch für Laien erkennbar: Die Rebstöcke sind teilweise bis hundertjährig.

Maison Carrée in Auvernier, NE Jean-Denis, Christine et Alexandre Perrochet Fotografiert am 21.06.2024

Wohnen alle im «quadratischen Haus»: Christine, Jean-Denis und ihr Sohn Alexandre Perrochet (v.l.).

Maison Carrée in Auvernier, NE Hefe Fotografiert am 21.06.2024

In einem präparierten Fass mit Glasboden sind sie ausnahmsweise sichtbar: die Hefen.

Wie schmeckt «sur lie»? Bei Perrochets kann man übrigens auch gleich erleben, wie denn solche Hefen schmecken. Gleich mehrere Abfüllungen ihrer famosen Chasselas bringen sie «sur lie» auf die Flasche. Das bedeutet, dass gut 99,9 Prozent der Hefe, die sich am Boden der grossen Holzfässer ablagert, zwar abgepumpt wird – dass schwebende Hefe-Teile aber im Wein verbleiben. Auf eine Filtration werde bei einigen Abfüllungen bewusst verzichtet, weil damit auch immer wünschenswerte Aromenbestandteile aus dem Wein verschwinden würden. Und wie zeigt sich das angewendete schonende Verfahren bei der Degustation? Alexandre Perrochet schnuppert am Glas, nimmt einen Schluck und sagt: «Der Wein wird breiter, ich verspüre mehr Trinkfreude!» 

Maison Carrée in Auvernier, NE Weingut, Landschaft Fotografiert am 21.06.2024

Standortvorteil in Auvernier: die Nähe zum Neuenburgersee.

Maison Carrée in Auvernier, NE Presse (wird immernoch gebraucht) Fotografiert am 21.06.2024

Noch immer Jahr für Jahr im Einsatz: die alte Holzpresse von 1872.

Präsenter Grossvater selig. Vater Jean-Denis Perrochet benutzt für die Vorgehensweise im La Maison Carrée gern den Begriff «Identität». Diesen zieht er dem oft verwendeten Wort «Terroir» vor, auch wenn das Weingut eigentlich sinnbildlich genau dafür steht: Die Weine aus etwas mehr als zehn Hektar Reblagen rund um das schmucke Weinbaudorf sind ein Resultat der Böden (weshalb man die Pinot Noirs auch separat nach Lagen verarbeitet), der schonenden Eingriffe der Weinbauern, besagter Hefen vor Ort. Die Tatsache, dass man 2012 nach rund zehnjähriger Vorbereitung auf Demeter-Anbau umgestiegen ist, ganz ohne den «Umweg über bio» (was in Auvernier eh 95 Prozent aller Betriebe seien) zu machen. Nicht zuletzt spielt die Erfahrung der Familie eine Rolle, die 1827 aus einem Nachbarhaus kommend ins «quadratische Haus» eingezogen ist. Gerade die Geschichten von Grossvater Jean-Jacques, der 2022 über 95-jährig verstorben ist, sind omnipräsent: «Er hat das erste Auto erlebt, das durchs Dorf gefahren ist – er hatte am Ende seines Lebens aber auch ein Handy.» 

Maison Carrée in Auvernier, NE Alexandre Perrochet Fotografiert am 21.06.2024

Sucht Alexandre Perrochet auf der Leiter nach Hefen? 

Maison Carrée in Auvernier, NE Weingut, Landschaft Fotografiert am 21.06.2024

Gut die Hälfte der Perrochet-Reben sind mit Pinot Noir bestückt.

Maison Carrée in Auvernier, NE Jean-Denis Perrochet Fotografiert am 21.06.2024

Hilft mit, wo er kann, ist aber nicht mehr verantwortlich: Jean-Denis Perrochet.

Alte Reben wurzeln tief. Für die Identität der Perrochet-Weine (Pinot Noir, Chasselas, Chardonnay, Pinot Gris und Savagnin blanc) wichtig sind nicht zuletzt die Reben, die bei ihnen merklich älter sind als bei den meisten Nachbarn: «Teilweise achtzig- bis hundertjährig», so Alexandre Perrochet. Was man bei einem Spaziergang durch die Rebberge auch als Laie gut erkennen kann: Immer wieder trifft man auf äusserst knorrige Rebstöcke, dick und holzig, die offensichtlich tief wurzeln. «Auch in ganz trockenen Sommern brauchen wir diese alten Reben nicht zu bewässern», nennt Vater Jean-Denis Perrochets einen wesentlichen Vorteil. Und solche heissen Jahre nähmen zu, berichtet er weiter. Merkt man die Klimaerwärmung denn auch im Keller? «Bis jetzt machen die Hefen ihren Job zuverlässig», sagt Alexandre Perrochet. «Wir hoffen schwer, dass das so bleibt.» 

>> lamaisoncarree.ch 

 

Mehr Bio im Glas! 

Ein lebendiger Rebberg mit kräftigen, widerstandsfähigen Reben und einem gesunden Boden ist die Grundlage für feine Knospe-Weine. Bereits über 580 Winzerinnen und Winzer produzieren in der Schweiz Bioweine. Sie verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger. Auch viele Top-Winzer bekennen sich zu Bio und Biodynamie.

Mehr Infos: www.biosuisse.ch