Text: Siméon Calame I Foto: Julie de Tribolet
Nach zwei Wochen war alles klar. Als Mathilde Roux 2016 in die Schweiz zurückkehrte, wusste sie ganz genau, was sie möchte: «Ich würde gern ein bereits bestehendes Weingut übernehmen mit einer guten Struktur und einem Terroir mit Potenzial - von einem Winzer, der bereit für eine Übergabe ist.» Der am schwierigsten scheinende Punkt erwies sich am Schluss als der einfachste. Die Winzerstochter nahm Kontakt auf mit Gérard Roduit in Fully, einem Bekannten ihrer Eltern. Er lud sie für eine Probezeit während der Ernte ein. «Nach bereits zwei Wochen war Gérard von meiner Arbeit überzeugt und wir haben über die Übergabe diskutiert», erzählt sie. Das ging ziemlich locker über die Bühne, schwieriger war der administrative Teil rund um die Übernahme vom Keller bis zu den Reben und einigen Mitarbeitenden.
Ein Bruch? Sagen wir lieber Übergang. Nun konnte Mathilde also ihren Wunschkeller einrichten, ihre Reben kennenlernen, ihre Ziele definieren. Zuerst suchte sie einen neuen Namen für das Weingut: Sie wählte l’Orlaya nach der kleinen weissen Blume, welche in der Gegend von Fully wächst. Dann die Reben: «Es war nicht nötig, die Rebsorten zu wechseln, die Auswahl war bereits top. Es sind nur ein bisschen viele….», gibt sie zu. 14 Rebsorten für 18 Weine, das Ganze auf 8 Hektaren ist tatsächlich anspruchsvoll. Vor allem, wenn darunter auch so kleine Mengen wie 400 Liter Gewürztraminer sind. «Das ist nicht einfach für mich, aber ich will auf die bisherigen Kunden Rücksicht nehmen, die noch die Palette von Gérard gewohnt sind», sagt sie. Doch sie habe bereits ihre Handschrift einbringen können und wolle einige Crus ein bisschen länger als bisher lagern, sagt die junge Frau, die sich auch in der Winzergemeinschaft von Fully engagiert.
Schafe im Rebberg. Einen grossen Wechsel in der Cave de l’Orlaya markiert allerdings die Umstellung der vielen kleinen Parzellen auf Bio. Mathilde Roux arbeitet mit 45 Rebbesitzern auf dem Gebiet von Fully zusammen, die sie jedoch alle in ihrem Projekt unterstützen. Das beflügelt die vor Ideen sprudelnde Winzerin, auf einer grösseren Parzelle von einer Hektare sich sogar mit der Biodynamie zu versuchen. «Schauen wir mal, was daraus wird», lacht sie, «ich probiere gern was Neues aus und lerne dabei sehr viel». Im Winter will sie Schafe dort weiden lassen, «das wird hübsch». Bei einem Winzer in Fully muss man unbedingt die Petite Arvine, die Lokalmatadorin aller Reben, degustieren. Bei Mathilde Roux gibt es sogar zwei Versionen, klassisch und flétrie. Aber lassen Sie sich wegen «flétrie» nicht abschrecken, er ist nicht so süss wie es tönt, sondern trinkt sich wunderbar.
Das liegt im Keller: Weiss: Petite Arvine, Petite Arvine flétrie, Fendant, Humagne blanche, Marsanne, Païen, Johannisberg, Gewürztraminer de Fully, Ermitage mi-doux. Rot: Syrah, Pinot noir, Gamay de Branson, Merlot, Humagne rouge, Dôle, Gamay, Cornalin. Rosé: Rosé de Gamay.
Coup de Coeur: «Petite Arvine! Eine super interessante Rebsorte, vor allem hier in Fully passt ihr das Terroir ausgezeichnet.»
Das passt zusammen: «Die Petite Arvine ist sehr gut zu Austern, aber zu einem schönen Stück Lachs ist sie geradezu perfekt. Der fette Fisch korrespondiert mit der Säure des Weins, und wenn man eine Sauce mit Zitronen oder Orangen dazu serviert, ist es absolut top!»
Drei Gault-Millau-Chefs mit Weinen der Cave Orlaya: Kévin Vaubourg im Restaurant Anne-Sophie Pic im Beau-Rivage Palace Lausanne (18 Punkte), Sebastiano Lombardi im Table du Chalet d’Adrien in Verbier (15 Punkte) und Céline Guihéneuf im Restaurant Chez Ida im Bella Tola in St-Luc (13 Punkte).