Text: Elsbeth Hobmeier
Grosse Vorbilder. Feliciano Gialdi, Ivo Monti und Christian Zündel sind unbestrittene Grössen des Tessiner Weinschaffens. Sie wurden von GaultMillau als Ikonen ausgezeichnet und geehrt, als Vorreiter im viertgrössten Weinbaukanton der Schweiz. Natürlich spielt auch bei ihnen die Merlot-Traube die Hauptrolle - seit diese vor über hundert Jahren aus dem Bordelais importiert wurde und sehr schnell bewies, dass ihr das Tessiner Klima rundum entsprach. Heute besetzt sie immer noch über 80 Prozent der Rebfläche. Aber es fällt auf, dass zunehmend weisse Sorten angebaut werden. Weisse Crus aus Sauvignon blanc und Chardonnay haben die Keller erobert, einige Winzer versuchen es mit Spezialitäten wie Viognier oder Kerner. Nicht zu vergessen: der beliebte Merlot Bianco, der einen Grossteil des hier produzierten Weissweins ausmacht. Und immer mehr Betriebe bieten Schaumwein an, der aus Merlot, Chardonnay oder auch mal mit Müller-Thurgau komponiert wird.
Junge Szene. In die Fussstapfen der Ikonen treten zunehmend jüngere Winzerinnen und Winzer. Sie bringen mit Naturweinen oder dem Ausbau in Amphoren neuen Wind ins bewährte Gefüge. Das junge Önologenpaar Viviana Pasta & Dario Pistarà im Castello di Cantone macht mit international geprägtem Wein von sich reden. Im alteingesessenen Haus Tamborini lanciert Tochter Valentina eine eigene junge Linie. Als Rookie entdeckt wurde Adrien Stevens (grosses Bild oben), der in Monteggio eine Azienda übernehmen konnte und jetzt dort seinen «Alpen-Merlot» macht. So genannt, weil er auf 400 Metern Höhe wächst. Es tut sich was im Merlot-Land.
Die besten Winzerinnen und Winzer:
Agriloro SA
Zu Agriloro gehören zwei Weingüter im Mendrisiotto: das antike Tenimento dell’Ör in Arzo und La Prella in Genestrerio. Beide sind geprägt vom Gründer Meinrad C. Perler mit seinem Respekt vor der Natur. Flaggschiff der Merlot Riserva dell’Ör, interessant der weisse Amphorae und der Merlot Cleos.
Ettore Biraghi
Der Gründer der Tenuta Luigina in Stabio, Fabio Bruni, und sein Önologe Ettore Biraghi sind sich einig: Sie setzen auf Naturnähe, bauen einen Teil in Amphoren aus und suchen komplexe, individuelle Weine. Beste Beispiele: Gemma dell’Est, Ronco dei Profeti, Selezione Anfora.
Castello Luigi
Der Barriquekeller von Vater und Sohn Luigi Zanini in Besazio ist legendär, das Castello erregt Aufsehen. Nicht nur das Gebäude ist vom Bordelais inspiriert, sondern auch die Weine bewegen sich auf dessen Top-Niveau, allen voran der rote Castello Luigi aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet franc.
Castello di Morcote
In malerischer Lage rund um die Ruine des Schlosses von Morcote kultivieren Gaby und Maurizio Gianini mit der Önologin Benedetta Molteni hervorragende Weine wie die Riserva Merlot di Castello di Morcote, den Top-Merlot Fuoco und die weisse Cuvée Favola.
Gianfranco Chiesa
Die Weine des renommierten Tessiner Önologen Chiesa wachsen am Steilhang von Rovio mit Blick auf den Luganersee. Der IL und der im Kastanienholz gereifte San Giorgio zählen zu den Tessiner Spitzenmerlots, ebenso Spitze ist der Chardonnay Riserva aus dem Barrique.
Fratelli Corti
Der Spitzenwein aus alten Merlot-Rebstöcken von Vater Antonio und Sohn Nicola Corti ist die Riserva Lenéo. Im Familien-Weingut in Balerna entstehen auch die Merlots Tre Corti und Riserva di Taso. Und als Assemblage mit Cabernet gefällt der Salorino.
Angelo, David & Cesare Delea
Dieses Weinunternehmen mit Gründer Angelo Delea und seinen beiden Söhnen ist einer der grossen Player im Tessin. In der Cantina in Losone werden die Aushängeschilder des Hauses gekeltert: Die Carato-Linie mit Merlot, Riserva und Bianco, der Chardonnay und die Cuvée Diamante.
Simone Favini & Claudio Widmer
Die Terroirs der beiden Önologen liegen am Monte San Giorgio und am Monte Generoso. Seit 2012 arbeiten sie gemeinsam und feiern Erfolge mit dem Merlot Musa und dem Meride barrique. Neu in der Palette die Assemblage Mangiafuoco aus Cabernet franc, Merlot und Syrah.
Robin Garzoli
Der junge Winzer stammt aus dem Maggiatal und macht in seiner Heimat Weine mit Potenzial. Allen voran der reine Merlot Rombolau aus der gleichnamigen Parzelle sowie die Acqua Reale Riserva. Der Merlot Amfora ist in einer Terrakotta-Amphore gereift.
Davide Ghidossi
Der junge Winzer arbeitet in zwei Kellern. Einer liegt in Croglio, der andere, ein architektonisch spektakuläres Weingut, in Cadenazzo. Davide Ghidossi legt eine Reihe von Qualitätsweinen vor. Der reine Merlot Saetta («Blitz») hat sofort eingeschlagen, ebenso die rote Assemblage Triade.
Jonas Huber
Der herrliche Merlot Montagna Magica mit seinem jährlich wechselnden Künstleretikett hat den Ruf der Cantina Huber in Monteggio begründet. Auf Vater Daniel Huber ist Sohn Jonas gefolgt, auch sein Chardonnay Volpe Alata und der Spumante Zampillo können sich sehen lassen.
Cantina Kopp von der Crone Visini
Anna Barbara Kopp von der Crone und Paolo Visini in Barbengo bilden mit ihren raren Weissweinen Viognier, Sauvignon blanc und Kerner im Tessin eine Ausnahme. Aber der sehr komplexe Spitzen-Merlot Balin ist nach wie vor eines ihrer Aushängeschilder, genauso wie Irto und Scala.
Nicola & Raffaele Marcionetti
Die Brüder Marcionetti ziehen in steilen Reblagen am Monte Carasso komplexe und konzentrierte Weine wie die Cuvée Vindala und ihr Flaggschiff, den Merlot Irti Colli. Vor kurzem eröffneten sie mit Schwester Elena in Giornico einen neuen Keller, um näher beim Publikum zu sein.
Fattoria Moncucchetto
Die Önologin Cristina Monico brilliert mit einer Riserva aus alten Merlot-Reben, aber auch mit dem weissen Moncucchetto und dem Spumante Refolo. Die Weinberge liegen in Lugano, im von Mario Botta erbauten Gebäude werden auch grosse Events gefeiert.
Viviana Pasta & Dario Pistarà
Ihrem konzentrierten Flaggschiff Ungulus und dem Merlot Castello haben die beiden jungen Önologen in Capolago einen weiteren speziellen Merlot mit internationalem Touch beigesellt: Der neue Cru dei Folli. Seit letztem Jahr gehört auch die Tenuta Vecchia Masseria zum Weingut.
Sacha Pelossi
Mit seinen im Barrique ausgebauten Merlots Collina d’Oro und Lamone Riserva holt sich das Familienweingut Azienda Pelossi in Pazzollo grosse Anerkennung. Sehr gut auch der Chardonnay Agra Collina d’Oro sowie der Bordeaux Blend Riva del Tasso.
Giorgio Rossi
Die beiden Brüder Giorgio und Andrea Rossi in Sementina sind überzeugte «Terroiristen». Sie pflegen neben ihren Merlot-Flaggschiffen Questo, Mondò und Ronco dei Ciliegi auch die fast vergessene Tessiner Traube Bondola und machen daraus den aromatischen Del Nonu Mario.
Mike Rudolph
20 Jahre Tenuta San Giorgio: Zum Jubiläum kelterte Mike Rudolph in Cassina zwei spezielle Cabernet Franc. Einen aus Pura und einen aus alten Reben in Vernate. Der Chardonnay Dorando, der reine Merlot Quincino und die Bordeaux-Cuvée Arco Tondo bleiben die Aushängeschilder.
Tamborini Carlo SA
75-jährige Geschichte, drei Generationen und eine ganze Reihe von Flaggschiffen: Sie heissen Merlot Castelrotto, Comano, San Zeno Costamagno. Firmenchef Claudio Tamborini führt das Haus in Lamone jetzt mit Tochter Valentina und Neffe Mattia.
Terreni alla Maggia
Auf dem Landwirtschaftsgut des Castello del Sole in Ascona wächst nicht nur der einzige Reis der Schweiz, auch so exklusive Weine wie der Chardonnay Il Castagneto, der intensive Merlot Il Querceto und die dichte Merlot-Riserva Ascona entstehen hier.
Ralph Theiler
Für seinen Spitzenwein Dives lässt Ralph Theiler die Merlottrauben einige Zeit antrocknen, bevor er sie presst. Er hat im Malcantone den Traum eines eigenen Weinguts realisiert. Spitze sind auch Gioia d’autunno und Corifeo.
Enrico Trapletti
Sein Merlot Culdrée und der Tera Creda zählen zur Tessiner Top-Liga. Aber Enrico Tripletti ist ein Tüftler, der auch einen Nebbiolo reinsortig ausbaut und vier verschiedene Spumante produziert. Er grüsst jetzt als «Azienda bio», da er seinen Betrieb umgestellt hat.
Vinattieri/Michele Conceprio
Der Önologe Michele Conceprio führt das grosse Weinhaus Vinattieri in Ligornetto mit erprobtem Können. Er lässt seinen komplexen Vinattieri Rosso gerne lange reifen: Jetzt erst kommt der 2018er auf den Markt. Beliebt auch der Klassiker Roncaia und der mineralische Ligornetto.
Bilder: Hans-Peter Siffert / Sarah Vonesch / HO