Text: Siméon Calamé Fotos: Blaise Kormann
Revolution! Es war einmal der junge, unerschrockene Winzer René, ein grosser Bewunderer der burgundischen Reben. 1940 begründete der Grossvater von Noémie Graff die Geschichte der Domaine du Satyre. Mit einer radikalen Handlung: Auf seinen Parzellen in Begnins, das als Königreich des Chasselas galt, riss er praktisch alle Reben aus und ersetzte sie mit Pinot noir und mit Gamay. «Es gehört zum Wesen eines Satyrs, dass er Unordnung in eine heile Welt bringen will», erklärt seine Enkelin heute. Auch ihr Vater Noé handelte nach dieser Maxime und fügte mit Diolinoir und Carminoir zwei weitere Rote hinzu. Erst Noémie glich diese rote Welt wieder etwas aus und pflanzte weisse Rebstöcke: «Im 2006 waren es noch knapp ein Prozent», erklärt sie.
Ein ungewöhnlicher Werdegang. Der vor Energie sprudelnden Winzerin war eigentlich immer klar, dass sie einst zwischen Fässern und Trauben leben würde. «Aber zuerst wollte ich etwas anderes sehen», wusste sie. Sie studierte Latein und Geschichte, aber schrieb bereits damals jede Arbeit mit Bezug auf die Rebe. «Meine Passion und mein Enthusiasmus waren beinahe unbegrenzt», schaut sie mit strahlenden Augen zurück. Diese Passion spürt man auch heute noch, zehn Jahre nachdem sie das Gut übernommen und später auf Bio umgestellt hat. Zusammen mit ihrem Vater und den Brüdern Pietro und Giuseppe Pisaturo, deren Familie seit Generationen auf Le Satyre arbeitet, bewältigt sie das neun Hektar umfassende Weingut.
Jedes Jahr eine Überraschung. Die Equipe produziert sechs verschiedene Weine. Einer davon ändert sich von Jahr zu Jahr und wird damit seinem Namen «Ni dieu ni maître» mehr als gerecht. «Ein Satyr fürchtet weder Sturm noch Gezeiten. Genau wie diese Cuvée, die unsere Sehnsüchte und unsere Vorstellungskraft ausdrückt», erklärt Noémie Graff. «Je nach Wetter ergibt dies einen sehr speziellen Jahrgang». Die zwei Weine im Geiste des Revolutionärs von 1940 sind immer noch präsent: Der Pinot noir mit seinen Cassis- und Kirschenaromen sowie der fröhliche und sonnige Gamay. Noémie empfiehlt übrigens, ihre Cuvée «Les Satyres» gemütlich zur Lektüre von «Krieg und Frieden» von Tolstoi zu schlürfen - eine Önologin kann sich als Bücherwurm.
Im Keller: Weiss: Chasselas. Rot: Pinot noir, Gamay, Carminoir, Les Satyres (Diolinoir und Garanoir), Und die Jahrgänge von «Ni dieu ni maître».
Coup de Coeur: Der Winzerin ist es unmöglich, einen ihrer Weine zu bevorzugen, «genauso wie meine Mutter sicher auch nicht eines ihrer Kinder auswählen würde».
Das passt zusammen: «Zu einer glasierten Ente mit Polenta schmeckt ein Glas Carminoir wunderbar», sagtt Noémie.
Drei GaultMillau-Chefs mit Satyr-Weinen: Bernard und Guy Ravet in der Ermitage in Vufflens-le Château (19 Punkte), Thomas Vételé in der Brasserie du Royal Savoy in Lausanne (15 Punkte) und Jacques Allisson in der Auberge de l’Onde in Saint-Saphorin (14 Punkte).