Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Nik Hunger
Cos, Sassicaia und fünf Schweizer Winzer. Die Schau der von Robert Parker mit den höchsten Punktzahlen bewerteten Weinen der Welt wird immer kleiner, feiner und exklusiver. Waren vor einem Jahr im Hotel Dolder noch 200 Weingüter aus allen Kontinenten präsent, wurden heuer nur noch 50 nach Zürich ins Kongresshaus eingeladen. Neben Top-Namen wie Sassicaia, Vega Sicilia, Cos d’Estournel und Chadwick konnten auch fünf Schweizer Winzer ihre hochbepunkteten Weine zeigen: Castello Luigi, Cave de la Côte, Jean-René Germanier, Litwan Wein und Weingut Obrecht. Die Auswahl getroffen hatte Stephan Reinhardt, Reviewer von Robert Parker Wine Advocate. «Die Schweiz macht Weltklasse-Weine», sagt er, «das Problem ist, dass man sie in der Welt nicht kennt. Die Betriebe sind klein, die Mengen zu gering». Allerdings stelle er bei den Importeuren ein zunehmendes Interesse und ein gutes Echo fest, was ihn beflügle. Die komplette Liste der Winzer mit Parker-Punkten erscheint Ende März. Grosses Bild oben: v.l. Rodrigo Banto, Tom Mächler, Johannes Lampert, Nicola Fiorenza, Jean-René Germanier, Tom Litwan, Gilles Besse.
93 Punkte für Germaniers Heida! Gleich drei Jahrgänge ihres Flaggschiffs Syrah Cayas hatten Jean-René Germanier und Gilles Besse aus dem Wallis mitgebracht. Den jungen 2021er, den 18er mit noch grossem Potenzial und den bereits schön gereiften 17er. «Wir sind seit 2016, also seit Parker Schweizer Weine bepunktet, immer dabei», sagt Gilles Besse, «in all diesen Jahren erreichten 140 unserer Weine eine Auszeichnung». Dass sein Weingut auch mit den alten Walliser Sorten ein gutes Händchen hat, beweist es mit der intensiven, wunderbar ausgewogenen Heida Réserve 2021, welche mit 93 Punkten bewertet ist.
Applaus für zwei Chasselas aus der Waadt. Zwei tolle Chasselas präsentierte der Önologe Rodrigo Banto von der Waadtländer Cave de la Côte. Der Morges Vieilles Vignes 2022 und der Premier Grand Cru aus Féchy von Château de Malessert 2021 zeigen sich von ihrer mineralischen Seite. «Genau diese alpine Note suche ich mit meinen Weinen», bestätigt Banto. Stolz durfte er auch auf seinen reinen Doral mit exotischem Ananas- und Orangenblüten-Touch sein. Diese Schweizer Züchtung wird bisher einzig auf 30 Hektaren gepflegt, 16 davon unter der Regie der Cave de la Côte. Aus dem Tessin angereist war Nicola Fiorenza, General Manager des berühmten Castello Luigi. Er hatte neben dem Flaggschiff Castello Luigi 2020 aus Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon auch den neuen, reinen Merlot Belvedere 2021 mitgebracht, dazu den Castello Luigi Bianco aus Chardonnay.
Als Shooting Star. Die Bündner Herrschaft war mit dem Weingut Obrecht bei «Matter of Taste». Francisca und Christian Obrecht sind zurzeit auf Reisen, sie wurden von ihren zwei Mitarbeitern Johannes Lampert und Thomas Mächler kompetent vertreten. Neben dem weissen und dem rosé Schaumwein gefiel vor allem der Obrecht Completer 2018, der teilweise in der Amphore ausgebaut wird. Ein Renner ist und bleibt das Flaggschiff des Hauses, der wuchtige und trotzdem elegante Pinot Noir Monolith 2019, der von Parker mit 94 Punkten bewertet wurde. Lampert wie Mächler produzieren auch eigene Weine, die sie im Obrecht-Keller keltern dürfen. Dort entdeckte sie Stephan Reinhardt und bewertete sowohl den Pinot Noir 2021 von Johannes Lampert wie auch den Pinot Barrique 2020 von Thomas Mächler mit 91 Punkten; der Nachwuchs steht bereit.
Das Jahr 2021 mit Hagel und ewigem Regen war für Tom Litwan aus dem Aargauer Fricktal ein schreckliches. «Trotzdem bin ich hier, obwohl ich fast keinen Wein habe», sagte er. Statt Lagenweine machte er aus diesem Jahrgang nur einen schlichten «Weiss» und «Rot», aber beide ausgezeichnet. Noch höher punkten konnte er mit seinen roten Pinot-noir-Lageweinen von 2020, dem Elfingen Rüeget und dem Thalheim Chalofe.
Gantenbein, die Ikone. Am Sonntag lud Stephan Reinhardt mit Martha und Daniel Gantenbein zu einer Vertikale ihrer ikonischen Pinot Noirs von 2021 bis 2016. Er war selbst gespannt, wie sich die Jahrgänge in einer Reihe nebeneinander präsentieren würden. Und, welcher war der beste? Reinhardt: «Ganz schwierig. Wenn es duftig und charmant, kurzum verführerisch sein soll, 2020. Persönlich mag ich aber auch die Rasse und Klasse von 2019 und 2021, oder Jahrgänge wie 2017, wo das Beste erst nach Jahren der Flaschenreife hervorkommt.» Gantenbein gehöre für ihn ganz klar zu den wichtigsten und präsentesten Aushängeschildern des Schweizer Weins, erklärte er im Gespräch mit dem GaultMillau-Channel.
Tränen im Keller von Marie-Thérèse Chappaz. Parkers Statthalter in der Schweiz kam schnell auf Marie-Thérèse Chappaz zu sprechen, die letztes Jahr als erste und einzige Schweizer Winzerin mit den maximalen 100 Punkten ausgezeichnet wurde. «Sie ist herausragend, ein Superstar. Alle Sommeliers schwärmen von ihr.» Reinhardt erzählt von einem Besuch mit Top-Sommeliers im Chappaz-Keller. Marie-Thérèse öffnete eine der letzten Flaschen des 100-Punkte-Süssweins Grain par Grain Petite Arvine des Claives. Reinhardt: «Es war ein Magic Moment. Absolute Stille im Saal. Einige Leute hatten Tränen in den Augen».