Text: Stephan Thomas Foto: Hans-Peter Siffert
Postkartensujet. Der Anblick von Schloss Reichenau muss manchen Château-Besitzer im Bordelais neidisch machen. Wildromantisch ist es hier vor der imposanten Bergkulisse. Unter einer Felsnase sieht man Vorder- und Hinterrhein zusammenfliessen. Manchmal in unterschiedlichen Farben - ein eindrückliches Naturspektakel. Reichenau ist auch ein geschichtsträchtiger Ort. Der spätere französische König Louis Philippe hat hier einige Zeit im Exil verbracht, als Lehrer getarnt. (grosses Bild oben: Gian-Battista und Johann-Baptista von Tscharner)
Wein, aber nicht nur. Hier schaltet und waltet die Familie von Tscharner. Anni und Gian-Battista haben den Betrieb gegründet und berühmt gemacht. Zwei der drei Kinder arbeiten ebenfalls mit: Johann-Baptista und Francesca haben das Ruder schon weitgehend übernommen. Hier gibt es viel zu tun. Das Schloss Reichenau produziert Spargeln und ist für seinen Marc berühmt. Vor allem aber für seine Weine, die in Maienfeld, Jenins, Chur, Felsberg und Domat/Ems wachsen. Pinot Noir ist die Leitsorte, er heisst hier nach gut bündnerischem Brauch Blauburgunder. Completer ist die gesuchteste Rarität.
Weine zum Horten. «Reif lesen, kräftig extrahieren, um lagerfähige Weine zu bekommen.» Das ist Johann-Baptistas Credo beim Blauburgunder. Tatsächlich: Der Churer Blauburgunder 2012, den Johann-Baptista ausschliesslich in Magnums füllt, steht erst am Beginn der Trinkreife. Er kann locker noch Jahrzehnte durchhalten. Zu den Weissen meint Johann-Baptista: «Man muss nicht alles ins Holz werfen. Ich bin ein Säurefan. Ich mag es straigt, ehrlich, geradlinig, aber auch elegant.»
Charles' darling. Fans haben die von Tscharner-Weine viele. Etwa Prinz Charles, der immer den Pinot Blanc/Chardonnay ordert, wenn er in Klosters Ferien macht. Oder der Burgund-Star Silvain Cathiard, der fand: «Die Reichenauer Pinots können im Burgund mit allem mithalten.» Und dann gleich 24 Flaschen einpackte, um mit seinen burgundischen Kollegen einen kleinen Tauschhandel einzufädeln. Darauf ist Johann-Baptista stolz. Das gut gemeinte Kompliment «Eure Weine sind wie Burgunder!» freut ihn hingegen weniger. «So ein Blödsinn! Wir brauchen keine Vergleiche. Wir sind Graubünden, nicht das Burgund.»
Das liegt im Keller: Maienfelder Pinot Blanc/Chardonnay 2019; Churer Blauburgunder «Johann-Baptista» 2018; Jeninser Blauburgunder Mariafeld 2016
«Coup de coeur»: Jeninser Blauburgunder Alte Reben aus kühlen Jahren
Drei GaultMillau-Chefs mit von Tscharner-Weinen: Hansjörg Ladurner im Hotel Schweizerhof/Scalottas Terroir (15 Punkte). Silvio Germann im Grand Resort Bad Ragaz/Restaurant Igniv (18 Punkte). Sven Wassmer im Grand Resort Bad Ragaz/Restaurant Memories (18 Punkte).
Das passt zusammen: Wildvoressen von der Gams mit Saisongemüse und Kartoffelstock zu Churer Blauburgunder «Gian-Battista»