Laut José Vouillamoz, der Schweizer Rebsorten-Chef (kein offizieller Titel, so nenne ich ihn), kultivieren wir in der Schweiz mindestens 252 Rebsorten. Davon sind 31,6 Prozent autochthon. Für die Neulinge hier: Autochthone Rebsorten sind einheimische Rebsorten, die ihren Ursprung an dem Ort haben, wo sie wachsen. Sie gedeihen nur in ihrer ursprünglichen Heimat. Fast jede Weinregion verfügt über ihre autochthonen Rebsorten. Ein paar Beispiele? Arneis aus dem Piemont, Torrontes aus Argentinien, Lagrein aus dem Südtirol oder Amigne, Cornalin, Petite Arvine, Heida, um nur ein paar der gefühlt tausend autochthonen Traubensorten des Wallis’ zu nennen. Eher unbekannt ist der Räuschling aus Zürich.
Als mir Mathias Bechtel von Bechtel Weine in Eglisau und Präsident des Vereins «Junge Schweiz, Neue Winzer» (Vereinigung junger, aufstrebender Schweizer Weinmacherinnen und Weinmacher) mir meinen ersten Räuschling reichte, dachte ich mir: «Oh Gott, jetzt will auch die Deutschschweiz eine Spezialität.» Randbemerkung: Ein Monat vor meinem Besuch bei Mathias, schloss ich mein Weinjahr in Bordeaux ab. An jenem schönen Herbsttag auf dem steilsten Hang oberhalb des Rheins belehrte mich Mathias eines Besseren und ich verfluchte meinen unerträglichen bordeauxlesischen Snobismus: saftige Zitrusaromen, Blumenwiesen und spritzige Leichtigkeit.
Dass der Räuschling auch ein Reifepotenzial hat, bewiesen mir die drei Winzerfamilien Weingut Rütihof, Lüthi Weinbau und Schwarzenbach Weinbau letzten Sommer, als sie in Meilen zu einer R3 vertikalen Degustation (2018 – 2008) einluden. Das Ganze fand auf einem kleinen Kreuzfahrtschiff statt, was sich als unfassbar clevere Idee entpuppte. Nach ca. 4 Gläser konnte man für seinen schrägen Gang den Wellen die Schuld geben. Ahoi, Captain! Der R3 (3 Räuschlinge) wird übrigens von den drei oben erwähnten Weingütern produziert und aus somit aus drei komplett verschiedenen Parzellen gekeltert. Die abgefüllte Liebe zum Zürichsee. Der zehnjährige R3 schmeckte wie eine Apfelwähe mit Nüssen, einfach ohne den Zucker, dafür mit einer Priese Petrol. Captain, hier ankere ich!
Weil wir diesen Sommer eh in der Schweiz bleiben (dürfen), empfehle ich Ihnen mindestens einen Tag am Zürichsee mit einer Flasche Räuschling und einem Teller Eglifilet-Knusperli. In diesem Sinne wird der Schweizer Covid-Sommer des Räuschlings PR-Agent und somit endlich stadtbekannt.
Cheers, Madelyne
Gleich hier finden sie eine Auswahl von Zürichs finest Räuschlinge: