Text: Elsbeth Hobmeier I Foto: Sedrik Nemeth

Der Naturflüsterer. Die An- und Einsichten von Steve Bettschen als Winzer sind eher ungewöhnlich. «Ich sehe die Rebe nicht als Objekt, sondern als eine Person,», sagt er. «Ich höre ihr auf Augenhöhe zu. Es ist eine Zusammenarbeit zwischen ihr und mir.» In diesem Sinn hat er auch der Name seines Weinguts gewählt: Phusis, abgeleitet vom altgriechischen Wort phuein, was «aus verborgenen Tiefen aufblühen» bedeutet. Die Weine von Bettschen gliedern sich in zwei verschiedene Linien: Phusis-Weine stammen ausschliesslich aus eigenen Trauben aus den Gebieten Sensine VS und Clos du Mormont VD, die er auch selbst pflegt. Und MetaPhusis heissen jene Weine, die er aus den Trauben von befreundeten Winzerinnen und Winzern keltert. Diese Quantitäten sind manchmal sehr klein, es kann sein, dass zuletzt nur 30 Liter einer Cuvée abgefüllt werden! Dafür ist die Palette an Sorten extrem gross. Sie wechselt zudem jedes Jahr, mal ist ein Gamay von Valentina Andrei dabei, mal ein Saint-Laurent von Signolet in La Neuveville am Bielersee, mal ein Rèze von Gugnay aus dem Wallis.

 

Stage bei Marie-Thérèse Chappaz. 1997 fing Steve Bettschen in der Cave SA in Gland ein dreimonatiges Stage an, das schliesslich elf Jahre lang dauerte. Zuerst war er im Bereich Verkauf und Beratung tätig, sah sich aber immer auch «als Lehrling in der komplexen Weinwelt». Ab 2003 konnte er in der Europäischen Degustations-Jury mittun, was er im Rückblick als «eine wunderbare Erfahrung und Ausbildung» wertet. 2007 dann wollte er die Theorie mit der Praxis verknüpfen, kaufte seinen eigenen ersten Rebberg nahe von Conthey im Wallis. Seinen Erstlingswein, eine Petite Arvine, begleitete die Starwinzerin Marie-Thérèse Chappaz, bei der er ebenfalls ein Stage absolviert hatte und die ihm das Grundwissen in den Reben und im Keller vermittelte. 2011 schliesslich bot sich die Chance, den Clos du Mormont in den Côtes de l’Orbe VD mit einer schönen Parzelle voller Pinot-noir-Stöcke zu erwerben und damit die Grundlage für Phusis zu legen.

 

Der überzeugte Biodynamiker. Die eigenen Reben behandelt Steve Bettschen biodynamisch. Er lässt Schafe in den Reben weiden und arbeitet wenn möglich mit dem Pferd im Rebberg. «Auch ein guter Teil der Reben meiner Traubenlieferanten wird biodynamisch gepflegt», erklärt er. Seine Freunde würden seine Einstellung kennen und respektieren und er sei sicher, dass sie ihm Traubengut nur von bester Qualität liefern. Recht aufwendig für ihn ist die geografische Verteilung seiner Reben, «zur Erntezeit durchquere ich innerhalb von fünf Wochen die ganze Romandie», sagt er. Denn in seiner Garage in La Sarraz presst er in einer Vertikalpresse alle Trauben von Hand und lässt die Weine danach in kleinen Kellern unter seinem Haus ruhen. Bettschen begleitet dabei seine Weine wie ein Kind, er lässt ihnen Zeit, forciert sie niemals. Und schon hat er wieder ein neues Projekt: Er möchte 3000 m2 Rebland in Orny nahe von La Sarraz wieder bepflanzen, das vor vielen Jahren aufgegeben worden ist. Es sollen rote Sorten werden, er denkt an Gamay oder den weitgehend unbekannten Trousseau.

 

>> www.phusis.ch