Text: Stephan Thomas
Knochenarbeit am steilen Hang. Man denkt, man sei an der Mosel. So steil wie am Steinig Tisch sind die Rebberge selbst im Gebirgsland Schweiz nur selten. Den oberen Abschluss des Weingartens bilden senkrechte Sandsteinwände. Hier wird es im Sommer locker 40 Grad heiss. «Man muss in den Job verliebt sein, wenn man sich hier abrackert», sagt Roman Rutishauser, Jungwinzer und GaultMillau-Rookie of the year 2019.
«Ich bin ein Geniesser». Roman bewirtschaftet das «Weingut am Steinig Tisch» in Thal/SG in dritter Generation. Ganz geradlinig verlief seine Laufbahn dennoch nicht. Zuerst hat er eine Kochlehre absolviert. Danach hat er sich aber doch für den Winzerberuf entschieden. Im vollen Bewusstsein, dass man sich hier nur wenige Ferien leisten kann. «Ich brauche kein Sprudeln in der Karibik. Ich bin einfach gerne draussen in der Natur, auch in der Freizeit. Ich sammle zum Beispiel Pilze. Ganz allgemein bin ich ein Geniesser. Sehr gerne sitze ich mit Freunden an einem gut gedeckten Tisch.»
«Nicht für die Coca-Cola-Fraktion». «Meine Weine sollen jahrgangsecht sein. Jedes Jahr bringt seinen typischen Wein. Dafür müssen wir nicht wie andere Branchen alljährlich ein Dutzend neue Kreationen in die Welt setzen. Deshalb arbeite ich auch mit möglichst wenigen Eingriffen im Keller. Ich will nicht die Coca-Cola-Fraktion ansprechen.» Klare Worte, die eher nach Tradition tönen. Roman hat aber auch den Blick nach vorne gewandt, wenn er Sorten wie Léon Millot oder Johanniter anbaut. Sie sind weniger anfällig auf Pilzkrankheiten als die klassischen Varietäten.
Überraschung Kerner. Auch wenn der Pinot Noir die meistangebaute Sorte bei Rutishausers ist: Markenzeichen und Aushängeschild ist der Kerner. Von dieser Neuzüchtung aus Trollinger und Riesling stehen am Steinig Tisch seit 1973 Reben, aktuell 1.2 Hektar. Unsere Degustation zeigt eindrücklich das Potential der Sorte. Der junge Basis-Kerner ungemein fruchtig mit feinem Hefeton. Der 15er mit einer leichten Petrolnote, als wärs ein Riesling. Die Edelvariante «Jungspund» mit Fülle und Schmelz wie ein gehaltvoller Chardonnay. Kein Grund also, gegenüber der wenig bekannten Sorte skeptisch zu sein.
Das liegt im Keller: Riesling-Sylvaner, Sauvignon blanc, Grandezza (Diolinoir/Cabernet Dorsa)
«Coup de coeur»: Pinot Noir Alte Rebe 2018
Drei GaultMillau-Chefs mit Romans Weinen: August Minikus im «Mammertsberg» Freidorf (17 Punkte). Bernadette «Lisi» Lisibach in der «Neuen Blumenau» Lömmenschwil (17 Punkte). Ambros Wirth in der «Gaststuben zum Schlössli» St.Gallen (14 Punkte).
Das passt zusammen: Kerner 2019 und Bodensee-Egli mit Beurre blanc und dreifarbigem Püree