Fotos: Sedrik Nemeth

Über ein Drittel Gamay & Chasselas. Petite Arvine, Heida, Cornalin, Humagne Rouge – natürlich baut Sarah Besse all diese Walliser Spezialitäten aus, die bei Weintrinkern seit den Nullerjahren so beliebt geworden sind. Wer die 37-jährige Biowinzerin in Martigny besucht, erfährt aber auch, dass trotz ihres breiten Sortiments mit fast 30 verschiedenen Abfüllungen bei ihr noch immer 37,5 Prozent der Rebberge mit Gamay und Chasselas bepflanzt sind: «Vor gut zehn Jahren war es sogar noch die Hälfte!» Sollten solche weniger prestigeträchtigen Varietäten nicht wieder vermehrt in den Fokus geraten? 

Syrah zum Côte de Boeuf. Sarah Besse ist für ein Sowohl-als-auch. Und erklärt ihren Standpunkt anhand der roten Sorten Gamay und Syrah: Der leichtere Gamay sei perfekt als Wein zu einer Grillade an einem heissen Sommertag, er passe zu Pizza und Lasagne. «Syrah dagegen, mit 15 Volumenprozent, passt eher zu einem Côte de Boeuf – und niemand isst das jeden Tag!» Allerdings habe sie halt auch merken müssen, dass man in der Deutschschweiz mit Gamay, Dôle und Fendant nicht unbedingt offene Türen einrenne. «Zu lange kamen aus dem Wallis viele Weine dieser Sorten von zweifelhafter Qualität!» Noch immer sei das in vielen Köpfen präsent. 

Martigny, le 6 février 2025, Sarah Besse du domaine Gérald Besse nous fait découvrir sa cave et sa vision du vin  © sedrik nemeth

Klirrende Kälte, blauer Himmel: Weinkeller Gérald Besse in Martigny VS.

Martigny, le 6 février 2025, Sarah Besse du domaine Gérald Besse nous fait découvrir sa cave et sa vision du vin  © sedrik nemeth

Baut fast 30 verschiedene Weine aus: Önologin Sarah Besse.

Martigny, le 6 février 2025, Sarah Besse du domaine Gérald Besse nous fait découvrir sa cave et sa vision du vin  © sedrik nemeth

Einen Teil der Rotweine baut sie im grossen Holzfass aus.

Chasselas «Les Bans» – mehr als nur Apérowein. Mit einem Schmunzeln holt sie eine Flasche des Fendants «Les Bans» aus dem Gestell und zeigt aufs Etikett. Verblüffenderweise wird dort die Abfüllung als «Chasselas», nicht als «Fendant» bezeichnet, wie sonst hier üblich. Weil sich der Wein so in der Deutschschweiz besser verkauft, erklärt Besse. Und im Wallis, wo gut die Hälfte ihrer Kunden zu Hause ist? «Hier pflegt man den geselligen Apéro, hier verkauft sich der Wein sowieso problemlos.» Probiert man ihn, entdeckt man schnell, dass er nicht bloss zum Anstossen taugt: Der Wein zeichnet sich aus durch eine blumig-fruchtige Nase (Orangenblüte, Pfirsich, etwas Mandel), hat eine tragende Säure, viel Körper und auch am Gaumen (Anklänge von Birne, Mandarine) merklich Kraft. Ein Terroirwein! Unweigerlich denkt man an die steilen Trockenmauern, die man bei der Anreise zum Keller entdeckt hat. Und zwischen denen an diesem klirrend kalten Wintertag die Reben geschnitten und die Wege erneuert werden. 

Martigny, le 6 février 2025, Sarah Besse du domaine Gérald Besse nous fait découvrir sa cave et sa vision du vin  © sedrik nemeth

«Fendant» im Betonfass – wird in der Flasche zu «Chasselas».

Martigny, le 6 février 2025, Sarah Besse du domaine Gérald Besse nous fait découvrir sa cave et sa vision du vin  © sedrik nemeth

Sarah Besse weiss: «Weine von Frauen sind zurzeit im Trend.»

Vermehrt Bio im Wallis. Überhaupt die Etikette, darauf prangt prominent die Knospe von Bio Suisse: «Für die Kundschaft zählt aber in erster Linie die Qualität – das Label ist nur für wenige das Hauptkriterium für einen Kauf.» Die rund 20 Hektar, auf denen Sarah Besse Weinreben anbaut, sind seit 2020 zertifiziert. Damit ist sie auch im Wallis längst keine Randerscheinung mehr: «Vor zehn, fünfzehn Jahren war Marie-Thérèse Chappaz noch ziemlich allein – inzwischen sind Betriebe mit Knospe im Aufwind, auch wenn es natürlich da und dort sture Kollegen gibt.» Sogar einige ihrer Mitarbeiter seien der Umstellung auf Bio erst kritisch gegenübergestanden; sie fürchteten, dass dies zu deutlicher Mehrarbeit führen würde. Bewahrheitet habe sich dies allerdings nicht, inzwischen sei der Klimawandel, so Besse, die grössere Challenge – für jede und jeden. «Wenn es heftig regnet, müssen eh alle nachher spritzen, ob Bio oder nicht.» 

Martigny, le 6 février 2025, Sarah Besse du domaine Gérald Besse nous fait découvrir sa cave et sa vision du vin  © sedrik nemeth

Etikett mit Bio-Knospe und der Unterschrift von Sarah Besse.

Zu den Arbeiten im Winter gehört auch das Reinigen des Kellers.

Zu den Arbeiten im Winter gehört auch die Reinigung des Kellers.

Vater Gérald bleibt auf dem Logo. Noch etwas auf dem Etikett, das vor über 20 Jahren gestaltet wurde und noch immer äusserst modern wirkt, fällt auf: Sarah Besse bürgt mit ihrer Unterschrift für den Inhalt. Die Geschichte dahinter: Man habe in den zehn Jahren, seit sei als Önologin für die Weine des Guts verantwortlich zeichnet, auch schon mit dem Gedanken gespielt, das Weingut «Gérald Besse» (benannt nach ihrem Vater) auf «Sarah Besse» umzutaufen. «Weil Weine, die von Frauen gekeltert werden, zurzeit ziemlich im Trend sind.» Doch komme dies vorerst für sie nicht infrage. Dafür habe sie vor der Arbeit ihrer Eltern viel zu viel Respekt: «Sie haben eine Menge Kraft und Zeit in das Weingut investiert.» 

 

Mehr Bio im Glas! 

Ein lebendiger Rebberg mit kräftigen, widerstandsfähigen Reben und einem gesunden Boden ist die Grundlage für feine Knospe-Weine. Bereits über 580 Winzerinnen und Winzer produzieren in der Schweiz Bioweine. Sie verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger. Auch viele Top-Winzer bekennen sich zu Bio und Biodynamie.

Mehr Infos: www.biosuisse.ch

 

Wallis: im Herzen der Alpen. Der Kompromiss mit der Signatur auf der Flasche ist typisch für Sarah Besse. Einmal mehr scheint sie der Devise «Das Eine tun, das andere nicht lassen» zu folgen. Und ähnlich sieht sie es eben auch bei den eingangs erwähnten angebauten Rebsorten: Es gehe nicht um Pinot Noir oder Merlot, um Chasselas oder Heida: «Das Wallis liegt mitten im Herzen der Alpen. Anders als beispielsweise im Napa Valley hat man hier verschiedene Höhenlagen, verschiedene Böden, verschiedene Ausrichtung der Reben gegenüber Sonne und Wind.» Ihr Ziel sei es, überall den bestmöglichen Wein anzubauen. Und Sortenvielfalt kommt ihr diesbezüglich entgegen. 

 

>> www.besse.ch