Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Hans-Peter Siffert
Überwältigende Aussicht. Die Reben der Domaine de la Vigne blanche wachsen an bester Lage. Von Sarah Meylan Favres Weinberg aus blickt man auf den Hafen von Genf mit dem berühmten Jet d’Eau und auf den Mont-Blanc. Mehr Genf geht fast nicht. Das war schon in früheren Jahrhunderten so, denn die Hügel von Cologny mit ihrem privilegierten Mikroklima versorgten die Stadt bereits damals mit Wein und anderen landwirtschaftlichen Produkten. So findet sich schon im Genfer Kataster aus dem 17. Jahrhundert die Parzellenbezeichnung «En La Vigne Blanche». Der Grossvater von Sarah Meylan Favre gründete hier einen Landwirtschaftsbetrieb, ihr Vater Roger Meylan pflanzte 1970 die ersten Reben. 2002 stieg Sarah als ausgebildete Önologin mit ein und führt das Weingut seit 2014.
Für jede Tochter einen Wein. Sarah Meylan Favre ist sich der privilegierten Lage ihres Betriebs sehr bewusst, sie engagiert sich für den Erhalt einer gesunden Landwirtschaft in Stadtnähe. Seit 2016 bearbeitet sie den Boden und die Rebstöcke im biodynamischen Sinn von Rudolf Steiner. Sowohl der Wein wie auch Weizen, Gerste, Mais und Soja von ihren Feldern sind mit der Bio-Knospe und mit dem Label Genève Région Terre Avenir ausgezeichnet. Ihr Ziel ist, den ganzen Betrieb mit 7,5 Hektaren Reben und 25 Hektaren Landwirtschaft in naher Zukunft auf das noch naturnähere Demeter-Label umzustellen. «Das sind wir unserer Erde und unseren Nachfahren schuldig», sagt sie. Apropos Nachfahren: Ihre vier Töchter sind zwar noch im Schulalter, aber sie sind bereits mit je einer ihnen gewidmeten Rotwein-Cuvée präsent: Die älteste Tochter Constance mit Gamaret, Eléonore mit Merlot, Albertine mit Garanoir und Emilienne, die jüngste, mit einer Cuvée Cabernet-Sauvignon.
Vier Parzellen, 14 Traubensorten. Waren es 1970 noch einzig die traditionellen Genfer Sorten Chasselas und Gamay, werden auf dem Gut heute 14 verschiedene Trauben angepflanzt - was typisch ist für den Genfer Weinbau, der auf Vielfalt setzt und für viele Sorten eine Pionierrolle übernommen hat. Alle Weine tragen das AOC-Label und wachsen in vier verschiedenen Parzellen. Die 1970 gepflanzte «La Vigne Blanche» ist die älteste, die «Réserve de la Commune de Cologny» mit Jahrgang 1999 die jüngste; sie grenzt direkt an den Golfplatz Club de Genève.
Gamaret & Schweinsfilet mignon. Sarahs Coup de Coeur? «Die Gamaret Cuvée Constance, ein schöner fruchtiger Wein, den ich vor der Pressung drei Wochen im Stahl fermentieren liess», sagt die erfolgreiche Winzerin und serviert dazu ein Schweinsfilet mignon, «dessen Fleisch zwar fein und zart ist, aber dem Wein Paroli bieten kann». Mindestens drei Genfer GaultMillau-Chefs haben «La Vigne Blanche»-Weine im Keller: Stéphane Taffonneau im Café du Levant in Aire-la-Ville (14 Punkte), Vincenzo De Rosa im Café de la Place in Plan-les-Ouates (15 Punkte), Sébastien Vaillend im Café de Certoux in Perly-Certoux (14 Punkte).