Fotos: Salvatore Vinci
Reben am Wiesenrand. Markus Weber nennt es «die schönste Blumenwiese Erlenbachs». Der 57-jährige Winzer meint damit eine wilde Ecke gleich unter seinen Reben, wo zurzeit Margeriten, Klee und Butterblumen blühen. Das sieht nicht nur hübsch aus, sondern duftet jetzt im Frühling auch unvergleichlich! Er habe hier bloss ein wenig Heu gestreut, «keine Samen», der Rest habe die Natur selbst erledigt. Bei den Trauben, die wenige Meter entfernt wachsen, so gibt er zu, sei die Bewirtschaftung natürlich intensiver, auch wenn er seit mittlerweile 25 Jahren bio-zertifiziert sei. «Wegen der Mauern oberhalb erinnert mich diese Lage fast ein wenig an ein Clos im Burgund!» Hier wachsen Pinot Noir, Riesling-Silvaner, aber auch die pilzresistente Sorte Calardis Blanc, die er für einen Schaumwein verwendet.
Orange Wine als Türöffner. Womit wir mitten im Thema Spezialitäten sind: Die «Turmgut»-Weine wachsen an verschiedenen Lagen an der «Goldküste», also in Meilen, Herrliberg, Küsnacht und Erlenbach, alle mit bestem Blick auf den Zürichsee. Und traditionell ist dies das Gebiet für die weissen Sorten Räuschling und Riesling-Silvaner. Oder für Rotweine aus Pinot Noir. «Diese Varietäten stecken auch weiterhin in gut drei Vierteln meiner Weine», so Weber. Doch wie viele Winzer in der Schweiz hat er in den letzten Jahren sein Sortiment deutlich verbreitert und setzt zusätzlich auf weitere Sorten und Weinstile. Mit Orange Wine, mit seinen Schaumweinen und anderen Exoten erreiche er neue Kundensegmente. «Weingeniesser, die einmal pro Jahr vorbeikommen und gleich den ganzen Keller hier füllen, sind nicht mehr unbedingt an der Tagesordnung.» Weitere Türöffner: Sauvignon Blanc, den er in jeweils zwei Chargen liest, um sowohl grüne als auch fruchtige Aromen im fertigen Wein zu bündeln. Oder Syrah, den er ebenso reinsortig abfüllt; dieser Wein sei quasi eine Erinnerung an sein halbjähriges Praktikum in Australien.
Kunden fragen nach «Prosecco». Und wer kauft den Orange Wine mit dem knallig orangen Etikett? Wir sind inzwischen bei einer weiteren Turmgut-Lage angekommen, gleich unter dem namensgebenden Lust-Turm von 1648 – und Markus Weber gibt die Antwort, indem er Richtung Zürich-City blickt: «Der geht praktisch ausschliesslich in die Stadt.» Szenige Restaurants wie der Rank oder Zur goldige Guttere gehörten zu den Abnehmern, zudem einige Bio-Läden. Und wer interessiert sich für seine Schaumweine, die er als «Crémant» in einer Blanc- und einer Rosé-Version vermarktet? «Sie kommen oft bei Weinbestellungen noch obendrauf. Das sind Zusatzverkäufe.» Bei diesen Abfüllungen – auch sie sind natürlich bio – stehe vor allem die Regionalität des Produkts im Vordergrund. Es gehe nicht darum, sich mit Top-Champagnern zu messen. Manchmal werde er, sagt Weber schmunzelnd, gar gefragt: «Hat es eigentlich noch von Ihrem Prosecco?»
Weniger Arbeit dank PiWis. Populär sei der Federweisse – mittlerweile jede achte Flasche, die er verkauft. Neben den Schaumweinen sei dies eine weitere Möglichkeit, pilzresistente Sorten attraktiv zu vermarkten, verrät Weber. Denn ohne auf Piwis («sie müssen deutlich weniger gespritzt werden») zurückzugreifen, wäre die Bewirtschaftung seiner Lagen an sechs Standorten um Längen aufwändiger. Das Problem sei halt weiterhin, dass die Kundschaft mit Namen wie Cabernet Jura oder Calardis noch wenig vertraut sei.
Ebenfalls beliebt: Seine Tanninbombe! Rosé und Schaumweine im Aufwind? Das hört man vielerorts. Aber stimmt es denn ebenso, dass Easy-Drinking-Weine gesamthaft auf dem Vormarsch sind? Werden Barrique-Bomben mit viel Tannin und potentem Aroma weniger? «Die Weinkarten vieler Restaurants sprechen da eine andere Sprache.» Und weil Markus Weber auch die Kunden abholen möchte, die solche Power-Weine mögen, sei eine Assemblage aus Merlot- und verschiedenen Cabernet-Sorten ebenso Teil des Sortiments. Der Wein kommt ausschliesslich in neue Barriques, die innen kräftig angeröstet, ja beinahe schwarz sind: «Fast so, als würde Kohle im Wein schwimmen.»
Immer gilt: Mit Herzblut bei der Sache. Was hat er denn selbst am liebsten? Die alten Zürichsee-Klassiker wie der fruchtige Pinot Noir und der frische Räuschling? Oder all die Exoten, die zu Beginn seiner Tätigkeit als Winzer vor rund 30 Jahren hier noch gar nicht angebaut werden durften und stetig beliebter werden? Es ist, als fragte man einen Vater nach seinem Lieblingskind – nun zögert Markus Weber. Und antwortet schliesslich durchaus clever: «Ich stehe mit Herzblut hinter all meinen Abfüllungen! Schlussendlich muss der Kunde entscheiden, was er trinken will.»
Mehr Bio im Glas!
Ein lebendiger Rebberg mit kräftigen, widerstandsfähigen Reben und einem gesunden Boden ist die Grundlage für feine Knospe-Weine. Bereits über 580 Winzerinnen und Winzer produzieren in der Schweiz Bioweine. Sie verzichten auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger. Auch viele Top-Winzer bekennen sich zu Bio und Biodynamie.
Mehr Infos: www.biosuisse.ch