Text: Siméon Calame Fotos: RawKing Photo
Mit 24 bereits Chef. Christian Vessaz steht strahlend und mit breitem Lächeln vor seinem Keller am Ufer des Murtensees. Er wirkt rundum sympathisch, wenn er auf der von Reben umgebenen Terrasse von seiner Arbeit erzählt, seriös und anschaulich. «Ich bin nur zehn Kilometer von hier aufgewachsen, im Waadtländer Vully», erinnert er sich. Er sei sozusagen in den Reben gross geworden, weil sein Vater in einem Winzerbetrieb gearbeitet und ihn schon als Kind zum Helfen mitgenommen habe. Derart von Kindesbeinen an geprägt, wollte auch Christian Winzer werden und absolvierte in Changins seine Ausbildung. Im Jahr 2002 war die Leitung der Domaine du Cru de l’Hôpital zur Besetzung ausgeschrieben - und der erst 24-jährige Christian Vessaz war der einzige Kandidat.
Im Visier von Mister Parker. «Die Übernahme dieses historischen Guts aus dem 15. Jahrhundert war eine echte Herausforderung», erzählt Vessaz. Er konzentrierte sich zunächst auf das grosse Aushängeschild der Domäne, den Traminer. Mit Erfolg: Mit diesem Wein wurde er in die Vereinigung Mémoire des Vins Suisses aufgenommen, und den Jahrgang 2018 bewertete der berühmte Weinführer Wine Parker Advocate mit 93 von 100 Punkten. Zunehmend interessierte sich Christian Vessaz für die Arbeitsweise der schweizerischen Vorreiter der Biodynamie wie Marie-Thérèse Chappaz und Raymond Paccot. Deren Prinzipien lösten bei ihm ein grosses Echo aus: «Ich empfinde es als absolut ursprünglich, die Reben auf diese Weise zu pflegen. Zudem wird der Wein geschmacklich um Stufen besser». Seit 2009 ist die Domäne biodynamisch zertifiziert. Trotzdem sieht Vessaz auch heute noch Verbesserungsmöglichkeiten…
Terroir, Terroir. «Eigentlich mache ich zuviele verschiedene Weine», sagt Christian Vessaz selbstkritisch, «aber gleichzeitig lerne ich sehr viel aus dieser Vielfalt». Als erprobter Stratege richtet er sich gerne auf das aus, was seine Stärke ausmacht. Also auf die Biodynamie. Und auf seinen Chasselas Alloy, einen komplexen und würzigen Wein, den er ohne Schwefel vinifiziert, was selten ist. Bei den Rotweinen legt er fünf verschiedene Pinot noirs vor, vom frischen Rosé Oeil de Perdrix bis zum gut strukturierten Pinot noir classique. Wenn man ihn nach seinem Ziel für die nächsten Jahre fragt, kommt die Antwort rasch: «In 500 Jahren wird es hier noch Reben geben, mich aber nicht mehr. Also ist meine Aufgabe, diese Reben gut zu pflegen, um sie dereinst gesund meinem Nachfolger zu übergeben. Das Terroir ist wichtiger als ich.»
Das liegt im Keller: Weiss: Chasselas Vully, Chasselas de Fichillien, Chasselas Alloy (ohne Schwefel), Pinot gris, Viognier, Chardonnay, Sauvignon blanc, Traminer Mémoire des Vins Suisses, Délicatesse de Fichillien (Pinot gris und Traminer), Chardonany de Champerbou, Traminer de Fichillien, Cuvée (weisse Assemblage).
Rot: Pinot noir, Pinot noir Noirien (ohne Schwefel), Pinot noir de Pavy, Pinot noir de Mur, Réserve des Bourgeois (Pinot noir, Gamaret, Diolinoir und Gamaret), Malbec de Fichillien, Elévation de Champerbou (Merlot und Diolinoir).
Rosé: Pinot noir Oeil de perdrix
Coup de Coeur: Der Traminer 2018, der von Parker mit 93 Punkten belohnt und ins Mémoire des Vins Suisses aufgenommen wurde.
Das passt dazu: Ein nicht allzu scharfes Currygericht.
Drei GaultMillau Chefs mit Cru de l’Hôpital-Weinen: Stéphane Décotterd im Restaurant Pont de Brent in Brent (18 Punkte), Joeffrey Fraiche im Restaurant Ô33 in Avenches (15 Punkte) und Diego Albanese im Restaurant de la Clef in Reussilles (12 Punkte).