Text: Stephan Thomas Fotos: Hans-Peter Siffert, Marcus Gyger
Der Chasselas lebt! Im Waadtland, wo er laut Rebenforschern das Licht der Welt erblickt hat, ist man stolz auf ihn. Mit geballten Kräften präsentieren sich die Waadtländer dem Zürcher Publikum. Das Office des Vins Vaudois, das Qualitätslabel Terravin und die Vereinigung der Premiers Grand Crus geben sich im Restaurant Metropol ein Stelldichein. Herzstück ist die Verkostung mit gut dreissig Waadtländer Produzenten. Natürlich mit der passenden kulinarischen Unterfütterung. Die Lieblinge am Buffet sind die Malakoffs, die chronisch nachgelegt werden müssen.
Doch das Waadtland kann auch rot. Gamaret, Garanoir, Gamay, Merlot und Pinot Noir sorgen dafür, dass auch Rotweinnasen waadtländisch trinken können. Die grossen Traditionshäuser wie Hammel und Obrist sind hier, aber auch tatendurstige Junge wie Simon Vogel, Basile Monachon oder die Pereys aus Vufflens-le-Château, bei GaultMillau Rookies of the Year 2020. Die meisten sind mit beiden Farben vertreten. Unser Favorit bei Rot: Der Gamaret Valentino von Kursner in Féchy. Ein verkappter Italiener? «Nein, das ist der Name des Stiers, der auf der Etikette abgebildet ist», erklärt der Chef. Aha. Wie der Desiderio bei Avignonesi.
Premier Grand Cru. Erinnert an Bordeaux oder Burgund, gibts aber seit einigen Jahren auch im Waadtland. Den Titel Premier Cru schafft man ziemlich locker. Umso höher sind die Hürden für den Premier Grand Cru. Das liegt nur in Reichweite der absoluten Elite. Von den 28 Weinen dieses Kalibers stammt gut die Hälfte aus der Côte, die sonst etwas im Schatten des Lavaux mit seinen Dézaleys und Epesses steht. Lagenweine aus Traditionsbetrieben müssen es sein, selbstredend handgelesen. Die Erntemengen sind tief angesetzt – besonders in üppigen Jahren wie das traumhafte 2018.
Die reifen Chasselas. «Chasselas kann man nur jung trinken.» Hat man Ihnen diesen Satz auch mal eingetrichtert? Ältere als zweijährige Flaschen könne man gleich der Kanalisation übergeben? Nichts von alledem, im Gegenteil: Mancher gereifte Chasselas steht noch völlig senkrecht da, wo gleichaltrige Burgunder schon den Nachlass regeln. Den Beweis lieferte eine Verkostung reiferer Chasselas unter der Leitung von Vinum-Chefredaktor Thomas Vaterlaus. Dabei waren die dort ausgeschenkten Weine noch vergleichsweise jung, keiner über sieben Jahre alt. «Manche können locker zwanzig oder dreissig Jahre reifen. Dabei kosten sie verglichen mit Burgundern so gut wie nichts», konstatiert Vaterlaus. «Die Winzer sind gut beraten, sich ein Lager älterer Jahrgänge anzulegen.» Die Endverbraucher auch, würden wir ergänzen.