Text: Elsbeth Hobmeier | Fotos: Salvatore Vinci
Weinprobe in Eis und Schnee. Der Weisswein im Glas war vor allem eines: Sehr, sehr kalt. Denn wir standen auf blankem Eis, die Flasche ruhte auf einer Bar aus ebenso durchsichtigem Eis. Rundherum Eis und Kälte und Schnee und dünne Luft, hier oben auf dem Jungfraujoch, 3500 Meter über Meer. An der Wand im Eispalast stapeln sich ein paar Holzbarriques. Darin lagert die «Reine de Glace» der Walliser Weinkellerei Kuonen von Salgesch. «Ein Experiment», sagt David Volken. «Wir von Kuonen vermuten, dass der Wein hier oben langsamer reift und mehr Frucht entwickelt.» Bereits abgefüllt auf die Flasche ist die Humagne blanche 2022, die im Val d’Anniviers gewachsen ist. Es gibt nur 1000 Flaschen, zu einem Liebhaberpreis von 100 Franken. Der 23er ist noch am Reifen in den gestapelten Fässchen, er zeigt sich bei einer Fassprobe noch recht holzig und ungelenk. Zur exklusiven Degustation in der sehr ungewohnten Umgebung hatte das Hotel Bergwelt Grindelwald geladen, gekommen waren weininteressierte Stammgäste, die Winzerin Nadine Besson-Strasser, Weinfachleute von Kuonen und «Smith & Smith». Und der Weinakademiker und Journalist Peter Keller, der durchs Programm führte.
3500, 2000, 1000 Meter über Meer. Die Idee des Events war faszinierend: Man nehme acht Weine aus verschiedenen Rebsorten und Ländern und verkoste sie dreimal. Einmal auf 3500 Metern Höhe auf dem Jungfraujoch, einmal auf 2000 Metern auf der Kleinen Scheidegg und zuletzt auf 1000 Metern im Hotel Bergwelt in Grindelwald. «Achtet bitte auf die Aromatik, die Säure und bei den Rotweinen aufs Tannin», gab Peter Keller die Richtung vor. Und alle schnupperten und kosteten und notierten sich konzentriert durch. Vom Champagner zum Walliser Humagne blanche, Waadtländer Dézaley, Burgunder Chardonnay, deutschen Riesling. Und dann zu den roten Spielarten Pinot Noir vom Rheinfall, Tempranillo aus Spanien und Bordeaux aus St-Estèphe.
Riesling funktioniert in allen Höhenlagen. Im warmen Ambiente des Hotels Bergwelt wurden danach die persönlichen Eindrücke dann eifrig diskutiert. Einig war man sich, dass sich alle Weine je nach Höhe sehr unterschiedlich zeigten. Ganz oben auf dem Joch waren sie ziemlich zurückhaltend bis flach. In der Mitte auf der Scheidegg liess sich eine minime Qualitätssteigerung feststellen, zur wahren Freude entwickelten sie sich erst auf «gewohnter» Höhe in Grindelwald. Peter Keller zog folgendes Fazit: «Die Humagne blanche und der Riesling zeigten sich in allen Höhen einigermassen beständig, wie auch die kräftigen Roten aus Spanien und Bordeaux». Und er lobte: «Positiv überrascht hat mich der Pinot Noir, der sich sogar weit oben auf dem Berg seine Feingliedrigkeit bewahrte und unten seine ganze Eleganz ausspielte!» Ein Kompliment für den «Chlosterberg 2020» aus Uhwiesen, das die anwesende Winzerin Nadine Strasser-Besson sichtlich freute.
Urs Gschwend in Aktion. Den kulinarischen Rahmen für die angeregten Gespräche bot ein Gourmet-Dîner, das von «Bergwelt»-Küchenchef Urs Gschwend in Absprache mit Patrik Scherrer von Swiss Design Collection zusammengestellt worden war. Chef Gschwend, der vorher vier Jahre lang im «Trois Rois» in Basel gewirkt hatte, fühlt sich laut eigenem Statement «hier oben in den Bergen rundum wohl» und managt seine Küchencrew von 21 Personen mit grossem Engagement. Dafür gab es jüngst vom aktuellen GaultMillau neu 15 Punkte. Sehr verdient, wie das Menü bewies: Eine Rillette aus Enten-Confit mit Trauben-Chutney war kunstvoll angerichtet. Bäckchen und Filet vom Simmentaler Kalb machten Freude. Genauso wie das herbstliche Dessert aus Kastanie, Schokolade und weissem Trüffel.
Gipfelwein? Geht fast besser im Tal. Ein persönliches Fazit nach dem spannenden, keineswegs alltäglichen Tagesprogramm? Interessant, nach Jahren wieder mal das Jungfraujoch zu erleben, inmitten von Heerscharen von ausländischen Gästen. Eine Entdeckung auch das schön designte, sehr angenehme Hotel Bergwelt, eine empfehlenswerte Adresse in Grindelwald. Und was den Wein angeht: Als Gipfelwein muss es nicht das Beste, Teuerste und Renommierteste sein - das trinkt sich weit genüsslicher unten im Tal.
>> www.bergwelt-grindelwald.com