Text: David Schnapp Fotos: Lucia Hunziker
Ganz freundlich. Alles wirkt einladend und freundlich am «Jägerhof» von Agron Lleshi. Ganz so, wie der Chef selbst. Im Sommer 2016 hat der heute 34-Jährige das Restaurant von Vreni Giger übernommen. Die Grand Dame der gehobenen Ostschweizer Gastronomie hatte das Haus 20 Jahre lang geführt und landesweit bekannt gemacht. Lleshi wuchs in der Nähe des Restaurants auf und machte schliesslich seine Lehre bei Giger.
Immer in der Küche. «Ich wusste schon als 12-Jähriger, dass ich Koch werden wollte», sagt der sympathische junge Mann, der als Kind mit seiner Familie Ende der Neunziger Jahre aus dem Kosovo geflüchtet war. Er sei seiner Mutter immer gern in der Küche zur Hand gegangen, habe bei der Zubereitung von einfachen, bürgerlichen Gerichten oder beim Abwasch geholfen: Auf dem Menü der Lleshis standen Gulasch oder Sauerkraut mit Speck im Winter, gefüllte Krautwickel, Pite und selbst gemachter Feta.
Gute Laune. Noch vor seinem dreissigsten Geburtstag wurde aus dem sympathischen Koch der Chef des Hauses, 2016 übernahm Lleshi den «Jägerhof». «Das war schon ein spezieller Moment und ziemlich mutig für mich als relativ jungen Mann», sagt er knapp vier Jahre später und wirkt dabei so grundlegend optimistisch, dass man als Gegenüber automatisch gute Laune bekommt. «Ich bin nicht der Typ, der Angst vor einer grossen Aufgabe hat», fügt er noch an.
7 Gänge für 165 Franken. Das Einzige, was ihn Überwindung gekostet habe, sei gewesen, die Küche zu verlassen, um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen. Auf seinem Weg, den «Jägerhof» zu einem freundlichen, einladenden Ort zu machen, hat Lleshi aber seine Scheu abgelegt und dabei auch die Menüpreise konsequent gesenkt, um das Restaurant auch preislich attraktiver zu gestalten. Das Menü in 7 Gängen gibt es heute für 165 Franken, das ist ein sehr faires Angebot.
Hartes erstes Jahr. Das erste Jahr sei persönlich und ökonomisch trotzdem anspruchsvoll gewesen, gibt der neue Chef des Hauses zu. «Wir hatten keine Punkte mehr und mussten uns komplett neu beweisen. Ich habe im Umgang mit meinen Leuten Fehler gemacht, aber daraus gelernt.» Mit der Hilfe der ganzen Familie sei es aber schliesslich gelungen, den «Jägerhof» wieder zu einer erstklassigen Adresse zu machen. Im Herbst 2019 legte das Restaurant auf 17 Punkte im GaultMillau zu und kürzlich erhielt Agron Lleshi vom Guide Michelin den ersten Stern – das gab es lange nicht mehr in diesem Sankt Galler Haus mit Geschichte. Und es ist auch deshalb bemerkenswert, weil Lleshi in seinem kleinen Küchenteam von fünf Leuten gleich zwei Lehrlinge ausbildet, was den Chef bei der Qualitätssicherung zusätzlich fordert.
«Unkomplizierte Küche.» Aber wenn der Koch heute locker und selbstverständlich mit seinen auffällig jungen Gästen ins Gespräch kommt, erhält er meistens nur Komplimente für eine «unkomplizierte Küche aus guten Produkten und ohne Schnickschnack», wie Lleshi seine Arbeit selbst umschreibt. Eine gewisse mediterrane Leichtigkeit hat den «Jägerhof» erfasst: Wie bei Lleshis Artischockenrisotto mit Dörrtomaten, Kräutern und Buchenpilzen. Ein aufwendig geflochtener Raviolo mit Zanderfarce, Ananaschutney und Zitronengrassauce hat eine feine exotische Note. Das optisch ansprechende Gericht wirkt gleichzeitig elegant und geschmacklich leicht zugänglich.
Deutsche Kochlegende. Lleshi hat nicht sein ganzes Berufsleben im «Jägerhof» verbracht. Dass er einige Wochen bei Johannes King auf Sylt gearbeitet hat, kommt ihm heute im Umgang mit Fisch zu Gute und bei der deutschen Kochlegende Harald Wohlfahrt in der «Schwarzwaldstube» hat der Schweizer viel über klassisches Handwerk und geschmackliche Tiefe gelernt.
Mit der ganzen Familie. Agron Llershi ist zwar der motivierende Chef im «Jägerhof», aber im Hintergrund unterstützt ihn die ganze Familie: Mutter Lleshi bäckt bis zu zwölf verschiedenen Brötchen, für die das Lokal bekannt ist. Sein Vater entsorgt das Altglas und Lleshis Frau kümmert sich um die gemeinsamen vier Kinder. An Sonntagen und katholischen Feiertagen aber ist das Restaurant konsequent geschlossen, «damit ich bei der Familie sein kann», erklärt der Küchenchef. Zu Hause backe er zum Beispiel gerne Torten mit den Kindern – das Küchenhandwerk ist bei der Familie Lleshi eine grosse geteilte Freude.
>> GaultMillau und American Express scouten Talente, die die Zukunft vor sich haben. Bisher auf der Liste «Talente 2020»: Benjamin Breton. Fortsetzung folgt.