Tampopo. Ja, das ist der Film mit dem berühmten Eigelb-Kuss. Aber auch sonst strotzt er nur so von kultigen Szenen, eine übertrifft die andere. Juzo Itamis japanische Komödie (grosses Bild oben) von 1985 ist seine Interpretation eines Spaghettiwesterns: ein Ramenwestern! Die Hauptgeschichte folgt einem Lastwagenfahrer, der zufällig eine Schüssel Ramen bei der Köchin Tampopo isst, und ihr danach hilft, dem heruntergekommenen Lokal neuen Glanz zu verleihen. Dazu verweben sich allerlei Kurzgeschichten über die japanische Obsession mit gutem Essen – vom Yakuza, der Nahrungsmittel fürs Liebesspiel einsetzt, bis hin zum jungen Büroangestellten, der seine alten Vorgesetzten im französischen Spitzenlokal blossstellt. Und natürlich lernen Zuschauer dabei ganz beiläufig noch allerlei über die Kunst der perfekten japanischen Nudelsuppe. Tampopo ist ein Film, dessen Szenen mich jedes Mal so entzücken, als hätte ich ihn zuvor noch nie gesehen.
Eat Drink Man Woman. Bereits die Eröffnungsszene ist eine Hommage an die chinesische Küche und sorgt für funkelnde Augen. Sie zeigt den verwitweten Meisterkoch Chu bei der Zubereitung des Festmahls für ihn und seine drei erwachsenen Töchter, dem Sonntagsritual der Familie. Für die rebellierenden Töchter eine lästige Pflicht, ist es für den Vater der einzige Weg seine Gefühle auszudrücken. Essen und Liebe sind die zentralen Themen der Komödie, die Alltag, Kochkunst und Kommunkationsprobleme in der Familie thematisiert – ein Meisterwerk von Regisseur Ang Lee, das im Taipeh der Neunzigerjahre spielt.
La Grande Bouffe. «Das grosse Fressen» von Regisseur Marco Ferreri war einer der Skandalfilme der siebziger Jahre. Und noch immer spaltet die Handlung der bitterbösen Satire die Gemüter ihres Publikums. Vier Freunde treffen sich für ein Wochenende in einer Jugendstil-Villa in einem Pariser Aussenbezirk. Ihr Plan? Sich mit aller Gewalt der Völlerei und ihren sexuellen Ausschweifungen hinzugeben – bis sie sterben. Die einfluss- und erfolgreichen Herren um die 50 lassen sich nur das Beste auftischen, ein Festmahl ohne Ende. In einer Szene fordern sie sich gegenseitig heraus, wer schneller Austern schlürfen kann, und in der nächsten bestellen sie Prostituierte ins Haus. Dekadent, obszön und zynisch – kein Film für zartbesaitete Gemüter.
Babette’s Feast. Der dänische Film aus dem Jahr 1987 gewann im selben Jahr den Oscar als bester fremdsprachiger Film. Die Geschichte spielt in einem abgeschiedenen Dorf in Dänemark, wo zwei Schwestern ein protestantisches Leben führen als Anführerinnen einer kleinen Sekte. Eines Tages steht die Pariserin Babette Hersant vor ihrer Haustüre. Als Flüchtling vor dem Kommunardenaufstand findet sie bei den Schwestern Unterschlupf und erkocht sich während 14 Jahren mit ihren schmackhaften Mahlzeiten langsam den Respekt der Gemeinschaft. Der grosse Food-Moment kommt, als sie eines Tages im Lotto gewinnt. Statt den Gewinn für sich auszugeben, kocht sie ein riesiges Dankeschön-Festmahl für das gesamte Dorf mit Kaviar, Wachteln, Trüffelsauce und Baba au rhum – ein Fest für die Sinne!
Midnight Diner: Tokyo Series. Dreh- und Angelpunkt der japanischen Serie auf Netflix ist ein fiktives Izakaya in Shinjuku – dem Vergnügungsviertel im Westen Tokios mit unzähligen Restaurants, Bars, die bis spätnachts offen haben, und einem riesigen Rotlichtbezirk. Deshalb sind auch die Öffnungszeiten des «Midnight Diner» ziemlich aussergewöhnlich: von Mitternacht bis sieben Uhr morgens. Der Eigentümer und Koch – seine Gäste nennen ihn «Meister» – ist die Hauptfigur der Serie, die Episoden drehen sich aber um die Geschichten seiner kuriosen, witzigen Kundschaft. Speziell: Statt nach fixer Menükarte kocht der «Meister», was sich der Gast wünscht, solange die Zutaten dazu vorhanden sind. «Midnight Diner: Tokyo Stories» ist keine Doku, dank den Rezepten zu den Gerichten am Ende jeder Folge bleibt der Lerneffekt aber trotzdem nicht aus.
Salt Fat Acid Heat. Die Kunst des Kochens basiere auf vier Faktoren: Salz, Fett, Säure und Hitze. Das behauptet Samin Nosrat in ihrem gleichnamigen New York Times Bestseller Buch. In der nun daraus entstandenen Netflix-Mini-Serie entführt uns die Autorin nach Japan, Italien, Mexiko und ihr Zuhause. Und veranschaulicht ihre These anhand traditioneller Rezepte und Produkte wie Sojasauce (Salz) oder Parmaschinken (Fett), die in den jeweiligen Ländern eine zentrale Rolle spielen. Dabei überträgt sich nicht nur Nosrats Enthusiasmus und Neugierde auf den Zuschauer, sondern auch die Idee, dass gute Küche nicht immer auf präzisen Rezepten basieren muss. Eine willkommene Abwechslung in der auf Hochglanz polierten Landschaft der Kochsendungen. Binge-Faktor? Hoch. Zum Glück – oder leider – sind es bisher nur vier Folgen.
Food Wars! Shokugeki no Soma. Der Manga ist ein Welterfolg, der Anime dazu ziemlich abgefahren. Hauptfigur ist Yukihira Soma, ein 15-jähriger Izakaya-Koch, der auf Anraten seines Vaters plötzlich in der japanischen Elite-Kochschule «Totsuki» landet. Seine Mitschüler stammen aus wohlhabendem Haus, widmen sich lieber der Haute Cuisine als der japanischen Hausmannskost, und haben nur abschätzige Blicke für den Neuankömmling. Auf seinem Weg an die Spitze muss sich Yukihira immer wieder in Kochwettkämpfen namens «Shokugeki» beweisen – witzig, abgedreht und unterhaltsam! Zu sehen auf Netflix.
Ratatouille. Eine Ratte und die Spitzenküche in einem Film zusammenbringen? Eigentlich unvorstellbar – ausser für einen Animationsfilm aus dem Hause Disney. Der Pixar-Film ist bestimmt kein Geheimtipp, aber meine Liste wäre unvollständig ohne Remy, die Ratte mit der Leidenschaft für die französische Spitzenküche. Mithilfe des Küchenjungens Linguini kann das Nagetier mit Sinn für gutes Essen seinen Traum vom Kochen in einem berühmten Restaurant verwirklichen – und stellt damit die Pariser Gastroszene auf den Kopf. Die Szene mit dem gefürchteten, erbarmungslosen Restaurantkritiker und dem Ratatouille? Unvergesslich. Davon zeugen auch etliche Fotos und Videos im Internet von Personen, die das titelgebende Gericht möglichst «Remy»-getreu nachgekocht haben. Eine Szene, die verdeutlicht, welche Emotionen Gerichte wecken können. Ein Film für die ganze Familie.
Ugly Delicious. «Ich bin einer der grössten Snobs, den du kennenlernen wirst», meint David Chang zur Kamera und fügt an: «Aber gleichzeitig hasse ich elitäres Denken und Snobs.» Chang gehört zu den prominentesten Köchen weltweit. Mit seinem Restaurant-Imperium «Momofuku» hat er einen Kosmos erschaffen, wo ostasiatische und amerikanische Einflüsse aufeinandertreffen und zu einer neuen Küche verschmelzen. In seiner Netflix-Serie «Ugly Delicious» räumt er zusammen mit Food-Journalist Peter Meehan mit Stereotypien verschiedener Gerichte auf. Wie in der Episode über Pizza: Das Duo zeigt prominente Beispielen in Brooklyn und Neapel, aber auch Pizzaioli in Tokio mit ganz eigenen Vorstellungen, was eine perfekte Pizza auszeichnet.