Die «Kronenhalle» gehört zum kleinen Kreis der Restaurants, denen ich auch nach zig Besuchen entgegenfiebere, als wäre es das erste Mal. Weshalb mich die Zürcher Institution so fasziniert? Die entschleunigende Atmosphäre, die bewundernswerte Resilienz gegenüber Food-Trends und der hochprofessionelle Umgang mit den Gästen. Das Anrichten am Guéridon, dem Beistelltisch, die Präsentation der Voiture. Küche und Service funktionieren so reibungslos zusammen wie ein Schweizer Uhrwerk, rund 30 Personen pro Schicht, jeder Handgriff wirkt wie ein einstudiertes Ballett. Ein Restaurant mit einer Grandesse, die in Zürich einzigartig ist, die auch im Ausland schwierig zu finden wäre. Und ziemlich erstaunlich: Über 170 Gäste finden in der Brasserie, dem Chagall-Saal und der Schweizer Galerie gleichzeitig Platz, trotzdem bleibt über Mittag und Abend kaum ein Tisch frei. Dieses Jahr feiert das Restaurant, das ausser an Heiligabend täglich öffnet, sein 100-jähriges Jubiläum. Ein guter Grund für eine Liste, die längst überfällig ist: meine zehn Lieblingsgerichte der «Kronenhalle», Zürichs legendärstem Restaurant.
Mein Favorit unter den «Kronenhalle»-Vorspeisen, drei Komponenten für die perfekte Symbiose: Eine klassische, kräftige Bouillon als Basis, zubereitet aus Rindsknochen und geröstetem Suppengemüse wie Karotten, Zwiebeln und Sellerie. Der fluffig-leichte, tadellos abgeschmeckte Knödel aus Rindsleber. Und zu guter Letzt etwas fein geschnittener Schnittlauch. Eine der besten Suppen der Stadt!
«Matjes» entsteht aus jungen, nicht geschlechtsreifen Heringen mit hohem Fettanteil, die in einer Salzlake gereift sind. Das Resultat: ein milder Geschmack, eine zarte Konsistenz. Auf dem Teller kommen noch Crème fraîche, geraffelter Apfel, fein gehackte weisse Zwiebeln und Schnittlauch hinzu. Eine leichte Vorspeise, die in Kombination mit Rösti auch als Hauptspeise eine wunderbare Figur macht.
Ein Gurkensalat, der meiner Idealvorstellung davon ziemlich nahe kommt. Und eine Allzweckwaffe im «Kronenhalle»-Angebot, die als Beilage den idealen Kontrapunkt setzt zu den herzhaften Hauptgerichten. Geschälte und in dünne Scheiben geschnittene Gurke, Weissweinessig, Rapsöl und etwas Dill – ein Gericht, das nie auf der Karte steht, aber jederzeit bestellt werden kann.
Eine weitere Suppe aus dem Repertoire der «Kronenhalle», die trügerisch unspektakulär aussieht, dann aber ziemlich spektakulär schmeckt. Der Name verrät die tonangebende Zutat: Ochsenschwanz. Dazu kommt ein Schuss Sherry, der eine herb-süsse, nussige Note beisteuert.
Das Gericht, das ich in der «Kronenhalle» am liebsten und häufigsten bestelle – vor allem in Kombination mit dem zuvor erwähnten Gurkensalat. Ein ganzes, saftiges Mistkratzerli, gebraten mit viel Butter, Knoblauch sowie Rosmarin, das das Servicepersonal auf dem Beistelltisch gekonnt tranchiert und in zwei Etappen auftischt. Einziger Wermutstropfen: Die Pommes frites sind nicht hausgemacht.
Platz zwei in meinem Ranking der besten «Kronenhalle»-Hauptspeisen rollt direkt in der «Voiture» an den Tisch, gibts nur mittwochs und samstags über Mittag: Bollito misto – ein Fleischtopf mit Siedfleisch, Kalbszunge, Schüblig, Kalbskopf, gefülltem Schweinsfuss («Zampone») sowie Pouletschenkel und -brust. Dazu noch Sellerie, Lauch, Rüebli, Wirz, eine ausgezeichnete Salsa verde, Knoblauch-Mayonnaise sowie ein gemischter Salat aus Gurke, Rande und Rettich. Ein Gericht, das an alte Zeiten erinnert, aufgrund des «Nose to tail»-Prinzips aber so relevant ist wie eh und je.
Der «Kronenhalle»-Bestseller, der jeder Gast mindestens einmal bestellen sollte. Eine hervorragende Variante des «Zürcher Geschnetzeltes», die bewusst nicht so heisst. Die feinen Unterschiede: Butterzartes Kalbsfilet statt Kalbsbäggli sowie Champignon, die gleich püriert in die sämige Rahmsauce kommen. Ausserdem muss ich mein früheres Urteil revidieren: Die Rösti hat zur Höchstform zurückgefunden, glänzt stets mit einem idealen Verhältnis zwischen goldbrauner Kruste und butterigen Kartoffelspänen. Das Gericht wird in zwei Etappen aufgetischt.
Eine Leibspeise der Schweiz, die den gutbürgerlichen, herzhaften Charakter der «Kronenhalle»-Küche nochmals unterstreicht. Trotzdem ist sie etwas leichter als der Bestseller mit Rahmsauce: kurz angebratene, saftige Kalbsleber mit leicht karamellisierten Zwiebelstreifen. Auch hier ist Rösti als obligatorische Beilage ein Must.
Auch das gute alte «Entrecôte Café de Paris» beherrscht das Restaurant an der Rämistrasse: Die Küche bezieht das lange abgehangene Rindfleisch aus den Schwyzer Voralpen, trifft den gewünschten Garpunkt ohne Probleme. Und geizt glücklicherweise nicht mit der namensgebenden Butter-Kräuter-Sauce.
Bei den «Kronenhalle»-Gästen ist das Schoggimousse hoch im Kurs, ich erkundige mich lieber nach der wunderbaren, nicht zu süssen Fruchtwähe, die wahlweise mit oder ohne Schlagrahm auf den Teller kommt. Das Angebot richtet sich jeweils nach der Jahreszeit: Apfel, Birne, Kirsche oder Zwetschge.