Ein Wochenende lang schien Zürich lebendiger zu sein als Paris oder London. Der Grund? «Menu 1-6». Ein Anlass, der angesagte Köche aus dem Ausland mit sechs Zürcher Restaurants verkuppelte und alle am selben Abend paarweise kochen liess. Aus Melbourne, Paris, New York, London, Brasilien und Österreich liess Initiant Patrick Schindler (Mitinhaber Bauernschänke und «Soi Thai») seine Gastköche einfliegen. Die Schauplätze: Rosi, Gamper, EquiTable, Kin, Rechberg und Bauernschänke. Gäste kauften ein Ticket, ohne im Vorfeld zu wissen, wer für sie kochen würde. 330 Franken für die Carte Blanche – Wein-Begleitung und After-Party in der Widder Garage inklusive. Ein stolzer Preis, der sich durch zahlreiche weitere Schauplätzen rechtfertigte, wo Ticket-Inhaber übers ganze Wochenende zum kostenlosen Apéro vorbeischauen durften. «Menu 1-6» mutierte vom Event zum Festival, das die Gastro-Luft in der ganzen Stadt mit Euphorie schwängerte.
Diese Stimmung konnten Gäste bereits am Donnerstagabend an der Nietengasse im Kreis 4 erleben. Die Jungs der Londoner Weinbar «P. Franco» spannten mit der Gamper Bar zusammen und servierten Naturweine mit kleinen, à la minute zubereiteten Happen. Ein Erfolgsrezept, das ihr Lokal in Englands Hauptstadt im Nu zum Darling der Gastronomen verwandelte und auch in Zürich funktionierte. Aus einer improvisierten Kochnische mit Induktionskochfeldern zauberte George Tomlin – ehemaliger «P. Franco»-Koch und jetziger «Gül»-Sous-Chef – Gerichte wie Seeteufel mit Rouille auf Dinkelzopf oder «Ghackets mit Hörnli» aus Schweinefleisch und Hühnerleber.
Freitagabend folgte der Hauptakt des «Menu 1-6». Mein Ticket führte mich in die Zürcher Altstadt zum Restaurant «Rechberg 1837» hinter der Zentralbibliothek. In der Küche standen Markus Stöckle (Titelbild, zweite Person v.r.) vom Zürcher Restaurant «Rosi» sowie James Lowe (Titelbild, vierte Person v.r.) vom Londoner Restaurant «Lyle’s» (aktuell Nummer 38 auf der «World’s 50 Best»-Liste), der mit mehreren Zutaten im Koffer anreiste. Wie beispielsweise Austern aus Dorset, die mit Rhabarber-Granité als Vorspeise serviert wurden. Oder gesalzene, fermentierte Butter, die im «Lyle’s» zum Start mit Sauerteigbrot auf den Tisch kommt.
Zum ersten Highlight des Abends gehörte das Consommé aus Melonen, das mit viel Umami glänzte und einer komplexen Süsse, die an Karamell erinnerte. Eine Saucisson-Wolke verlieh ihr die nötige Würze. Ähnlich deftig gings weiter mit einem knusprigen Börek aus hausgemachtem Yufkateig, dessen Schichten mit Frischkäse und einer betörenden Reduktion aus Madeira und Perigord-Trüffel bestrichen wurde. Die hinterlassenen Fettspuren auf den Fingern zeugten von keiner falschen Scheu, Butter als Geschmacksträger einzusetzen. Für leichtere Momente sorgte eine Schaumhaube aus geräuchtertem Hering, die Teile des Fisches mit grillierten weissen Spargeln und Knoblauchblüten unter sich vergrub.
Eine Variation des «Rosi»-Klassikers «Arme Ritter» führte zu spontanen Liebesbekundungen meiner Tischnachbaren. Auf dem mit Bisque durchtränktem Brioche thronte geräucherter Speck aus dem Toggenburg über einem cremigen Hühnerleberparfait. Ebenso viel Eindruck hinterliess die tags zuvor gefangene Brachse aus dem Zürichsee. Filet und Bauchlappen des Fisches landeten auf Rotkraut und einem Velouté aus Miesmuscheln sowie stark einreduziertem Wein. Weitere unterstützende Akzente lieferten geräucherter Kombu und eine Mayonnaise aus Petersilie und Estragon. Ricottaglace mit Olivenöl und einem Pulver aus getrocknetem Cassis setzten einen stimmigen Schlussstrich unter das dreistündige Abendessen.
Zahlreiche Nebenschauplätze sorgten auch ausserhalb der Restaurants für ein Spektakel am ganzen Wochenende. In der «Bar Sacchi» präsentierte der Londoner Gastronom Michael Sager seine «El Destilado»-Mezcals, während die renommierten Brüder Schofield («World's 50 Best Bartenders' Bartender 2018») den Tresen der Kronenhalle Bar übernahmen. «S.Pellegrino Young Chef»-Finalist Dave Wälti servierte derweil Ceviche zu Pisco Sour in der Central Bar. Und auch die «Bar 63» beherbergte einen Gast aus dem Ausland: Carl Wrangel von der Kopenhagener Bar «The Barking Dog». Das abschliessende Fazit? Sobald Initiant Patrick Schindler das Datum für nächstes Jahr kommuniziert, lieber gleich das ganze Wochenende im Kalender blockieren. Impressionen von den Nebenschauplätzen sowie aus anderen teilnehmenden Restaurants des «Menu 1-6», findest du in der folgenden Bildergalerie:
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Infos
«Menu 1-6» fand vom 9. bis 12. Mai 2019 statt.
Weitere Details zum Event gibt es unter https://menu1-6.com/.