Mein aktuelles Lieblingsrestaurant in Italien? Die kleine Osteria del Mirasole in einem Dörfchen zwischen Modena und Bologna. Koch Franco Cimini serviert bodenständige Klassiker der Region, aber auf einem Niveau, das sogar Köche aus Japan für ein Kochpraktikum anreisen lässt. Die kleinen Tortellini mit Kalbfleisch-Füllung an einer Rahmsauce gehören zu den Evergreens und werden wohl so oft bestellt wie kein anderes Gericht auf der Karte – zu Recht! Auch sehr empfehlenswert: gebackene Zwiebel mit Kaninchenleber-Füllung, Culatello, «Tagliatelle all’antico ragù», Kalbskotelett «alla bolognese» und das langsam grillierte T-Bone-Steak. Mein Geheimtipp: eines ihrer Schlafzimmer buchen und den nächsten Tag mit einem gemütlichen Frühstück beginnen vom Küchenchef höchstpersönlich.
Ein Schweizer Restaurant, das 2020 ganz oben auf meiner Wunschliste stand? Das «Cheval Blanc» von Peter Knogl in Basel. Meine Erwartungen waren eigentlich unrealistisch hoch – und wurden trotzdem noch übertroffen mit einem 8-Gänge-Menü der Extraklasse. Der wahrscheinlich beste Teller? Eine gebratene Kalbsmilke mit Yuzu, Pfeffer und einer herzhaft-erdigen Pilzcreme – an der Grenze zur Perfektion!
Eine meiner persönlichen Entdeckungen des Jahres hat kürzlich auch von hoher Stelle grosses Lob erhalten: GaultMillau Österreich zeichnete Jakob Zeller und Ethel Hoon vom «Klösterle», ein historisches Walserhaus in Lech am Arlberg, als «Newcomer des Jahres» aus. Ihre Mission? Eine Neuinterpretation der alpinen Küche voranzutreiben mit ausgeklügelten Gerichten, die ihren bodenständigen Ursprung nie verleugnen. Ein herzhaftes Highlight: Schwarzkohl-Gratin mit phänomenaler Buchweizen-Miso.
«Rosi»-Küchenchef Markus Stöckle hat ständig neue verrückte Ideen, die nicht nur unglaublich gut schmecken, sondern sich auch clever präsentieren. Ein Paradebeispiel der vergangenen 12 Monate, das für immer in Erinnerung bleiben wird? Die Pilzregententorte als salzige Hommage an die Prinzregententorte mit acht Schichten analog zu den acht Bezirken Bayerns: Schnittlauchcreme, Morchel-Madeira-Butter, Senf-Eigelb, Trüffel-Eichen-Creme, Waldpilz-Duxelles, Pilzpüree, Sherry-Salat und eine geräucherte Pilz-Schokoladen-Glasur.
Dank Instagram lassen sich interessante Restaurants im Ausland auf Schritt und Tritt verfolgen, als befänden sie sich in Gehdistanz. Der Hype um die japanischen Sandwiches von «Konbi» ist ungebrochen, seit 2019 «Bon Appetit» das Mini-Lokal auf Platz eins ihrer populären «Hot 10»-Liste setzte. Ein Flug nach Los Angeles ist derzeit nur Wunschvorstellung, glücklicherweise veröffentlichte die New York Times aber das Rezept des ikonischen Eiersalat-Sandwiches. Und mit ein bisschen Übung und den richtigen Zutaten (Toastbrot von Hiro Takahashi, Demeter-Eier und Kewpie-Mayo!) ist das Sandwich-Nirwana nun doch plötzlich in Reichweite.
Margaretha Jüngling kombiniert Gemüse, Pilze, Kräuter und wenig Fleisch clever, ohne ihren Eigengeschmack mit kräftigen Saucen oder Gewürzen zu überdecken. Dabei schmecken die Gerichte oft komplexer, als ihre Schlichtheit erahnen lässt. Bestes Beispiel? Eines der besten Rindstatars, das ich bisher vorgesetzt bekam. Durch die extreme Reife entwickelte das rohe Rindfleisch der neun Monate abgehangenen Kuh einen unvergleichlichen Schmelz sowie eine verblüffende Blauschimmelnote. Simpel serviert im Pop-up «Merwut» mit sauer eingelegten und angetrockneten Auberginen.
Das Restaurant Ernst in Berlin ist eines meiner Lieblingsrestaurants. Natürlich war deshalb auch eine Reise zum Sommer-Pop-up auf dem Bauernhof Erdhof Seewalde ein No-brainer. Extrem puristische Gerichte zelebrierten die Produkte von herausragender Qualität – wie im Restaurant, aber direkt ab Hof und deshalb noch eine Spur unmittelbarer. Ein atemberaubender Gang war das unscheinbare Pré-Dessert: ein Parfait aus der ersten Milch der Kuh.
Schon 2018 landete ein Gericht von «Lido»-Küchenchef Riccardo Camanini auf meiner Jahresbestenliste, nun folgt das zweite: Luftiges Focaccia, durchtränkt von Lorbeeröl, auf dem eine Auster thronte, die bei 400 Grad in der geschlossenen Schale und im eigenen Saft blitzschnell gegart wurde – was für ein Amuse-bouche, was für Aromen, was für ein Biss! Direkt am Gardasee lohnt sich die Anreise zum Restaurant auch schon für die Aussicht und das Ambiente.
Falls das «Gamper» seine Türen jemals endgültig schliessen müsste, wäre Zürich in Hinblick auf ihr kulinarisches Renommee um eine wichtige Adresse ärmer. Wo sonst gibts Spitzenprodukte so unprätentiös für einen zweistelligen Betrag fürs Menü? Der aktuelle Guide GaultMillau trifft den Nagel auf den Kopf: «Frehners ‹Cuisine brut› besteht aus besten Produkten und einer guten Portion Ehrlichkeit.» Mein persönliches Highlight der vergangenen Monate: Blutente vom legendären Zürcher Delikatessenhändler Alfred von Escher – natürlich mit viel Fingerspitzengefühl zubereitet.
Für eine aussergewöhnliche Metzgete steige ich sofort in den Zug. Markus Burkhard (GaultMillaus «Entdeckung des Jahres 2018» und ehemaliger «Jakob»-Küchenchef) war vergangenen Herbst an einem Sonntag Gastkoch im modern renovierten Landgasthof seines Jugendfreunds Michael Schädeli. Das Programm? Ein frisch geschlachtetes Schwein – natürlich «von der Schnauze bis zur Schwanzspitze», worunter sich auch eine Leberwurst der Spitzenklasse mischte.
Der meist unterschätzte Koch Italiens laut dem angesehenen Food-Magazin «Fool»? Paolo Lopriore. In seinem Restaurant Il Portico kommen die Komponenten eines Gangs separat auf den Tisch, während Gäste sie beliebig kombinieren können auf dem eigenen Teller. Frittierter Maifisch, Fenchelblüten, Tomaten voller Süsse und Umami, Peperonigelee, leicht gesalzene Gurken und eine süss-saure Melasse waren die Zutaten des ersten Gangs, die in jeder Kombination untereinander harmonierten.
Weniger ist oft mehr – aber nicht immer. «Koch des Jahres» Stefan Heilemann bewies mit einem einmaligen Gang das Gegenteil: Entenleber, in Lardo eingewickelt und im Salzteig gegart, landete im tiefen Teller, eingebettet in Entenleberschaum. Die «Nebendarsteller»? Kartoffeln, Röstzwiebeln, Steinpilze (!) und weisser Trüffel (!!). Luxus pur, meisterhaft umgesetzt. Eine Liebeserklärung an die französische Küche.