Das neue Restaurant von Daniel Berlin landete zu Beginn des Jahres auf meiner «Bucket List 2024»: Im alten Restaurant («Daniel Berlin Krog») hatte der schwedische Spitzenkoch bereits zwei Sterne, in seinem neuen zielt er auf die Höchstnote. Die Reise nach Südschweden hat sich gelohnt: Zwei Fahrstunden von Kopenhagen bietet das «Vyn» eine aufs Produkt fokussierte Spitzenküche samt wunderschönem Ausblick auf die Ostsee (grosses Bild oben). Das Highlight des Menüs: Eine Jakobsmuschel, angebraten unter einem tiefgekühlten Stahlplättchen, sodass sie auf einer Seite knusprig ist, auf der anderen aber noch roh und kalt wie Sashimi. Das geschmackliche Resultat ist das beste aus zwei Welten: Einerseits fleischig-fest und nussig, andererseits buttrig-zart mit dem süsslichen Duft nach Jod und Meer. Eine Sauce aus Dill und Zuckertang vollendet Berlins jungen «Signature dish».
Ein Klassiker der Cucina Milanese, der traditionell aus dem übrig gebliebenen Safranrisotto des Vortags entsteht. Natürlich steckt der Teufel im Detail: Die Zubereitungstechnik muss stimmen, die Qualität des Risottos ebenso. In der über 140-jährigen Antica Trattoria della Pesa glänzt der überragende Riso al salto mit einer goldbraunen Kruste, während die Reiskörner noch al dente sind – auf Wunsch mit einer Portion gebratener Kalbsnieren. Wer sich für die genauere Zubereitung des Gerichts interessiert, findet auf Youtube ein Schritt-für-Schritt-Video direkt aus der Küche.
Patatas Bravas gibts in der Hauptstadt Kataloniens in unzähligen Varianten. Die Version der Bar El Tomás de Sarrià steht aber ausser Konkurrenz: Ein Stadtoriginal, das die irregulär geschnittenen, in Olivenöl knusprig frittierten Kartoffeln seit den Siebzigerjahren auftischt. Dazu kommen der obligatorische, grosszügige Klecks Aioli sowie die würzig-pikante Salsa – beide natürlich hausgemacht nach einem streng geheimen Familienrezept.
Das beste Cordon bleu, das ich dieses Jahr gegessen habe, versteckt sich in Bern. Amadeus Raemy schmeisst die «Barbière»-Küche im Alleingang: Seine Mittagsmenüs wechseln jeden Tag, sind vegetarisch oder mit Bio-Fleisch vom Metzger nebenan. Ein Gericht hat aber seinen Stammplatz am Donnerstagmittag, sonst sind die Gäste enttäuscht: Cordon bleu mit lauwarmem Kartoffelsalat und einem Kräuterquark als erfrischenden Dip.
Eine der besten Pizza-Adressen, die ich kenne! Dan Pearson hat in den vergangenen Jahren mit seinem Pop-up im Pariser Restaurant «Rigmarole» Kultstatus erlangt und nun endlich eine eigene Pizzeria eröffnet. Der «Oobatz»-Pizzateig aus Sauerteig, der neue Massstäbe setzt: Geschmeidig wie eine neapolitanische Pizza, gleichzeitig aber auch knusprig wie ein «New York Slice» – und dabei so federleicht, dass ich bei meinem ersten Besuch drei Pizzen alleine gegessen habe. Bei der «Carte blanche»-Variante entscheidet der Chef, was auf die Pizza kommt. Ein Glücksfall: Das Entenragout mit grünem Thai-Chili, Schnittlauch, gereiftem Käse und einigen Spritzern Zitronensaft war eine traumhafte Kombination.
Eine Neueröffnung im Pariser Viertel Belleville, die sofort auf meiner Watchlist landete. Alice Arnoux kochte zuvor im Drei-Sterne-Restaurant La Marine sowie im Kopenhagener «Noma», eröffnete nun in einem Innenhof ihr eigenes Restaurant. Der Fokus auf hochwertige Zutaten und präzises Handwerk in der Küche zeigt sich bei jedem Gang. Ihre simple Küche rückt hauptsächlich Gemüse ins Rampenlicht, schmeckt ehrlich und leicht, geizt aber nicht mit Geschmack – ein willkommener Gegenpol zur klassischen Bistroküche. Den Karottensalat verfeinerte Arnoux mit etwas Crème frâiche und Piment, verlieh ihm dadurch einen besonders herzhaften Charakter.
«Magdalena»-Küchenchef Dominik Hartmann ist ein Shootingstar der Schweizer Gastronomie und GaultMillaus «Aufsteiger des Jahres 2025» mit 18 Punkten. Diesen Frühling konnte ich ihn und seine beherzte Crew im schwyzerischen Rickenbach endlich mal besuchen. Das Gericht, das mich besonders beeindruckt hat: Eine knusprige Waffel aus Croissant-Teig mit einer fruchtig-würzigen, cremigen Sauce aus zweierlei Käse, schwarzem Trüffel und Zwiebeln – der eigentliche Käsegang von Hartmanns Degustationsmenü.
Die zum Weinshop «Delicatessen Cave» gehörende Bar überrascht immer wieder mit jungen «Chefs in residence», die auf zwei Induktionskochplatten raffinierte Gerichte zaubern. Das gilt auch für Orfeo Ranieri: Seine Version der spanischen Tortilla war der Dauerbrenner auf der ständig wechselnden Menükarte. Aber auch der Blumenkohlgratin mit Sauerteig-Béchamelsauce oder Schweinebauch mit schwarzer Bohnensauce und Chiliöl waren unverschämt gut gekocht. Ein Jungkoch, der in Zukunft bestimmt nochmals irgendwo für Aufmerksamkeit sorgen wird.
Sota Atsumi gehört noch immer zu den besten Chefs in Paris (er landete bereits vor zwei Jahren auf meiner Jahresliste). In seinem Restaurant Maison kocht er mit einem französischen Stil, der ebenso ein japanisches Feingespür für filigrane Geschmacksnuancen durchschimmern lässt. Ein weiterer Beweis dafür lieferte er mit diesem einzigartigen Gang: Grüne Bohnen und Salat an einer Albufera-Sauce, überdeckt von Spitzkohl, das in einer Perlhuhnbrühe geschmort wurde.
Das Pop-up-Format «Dian Dian Mian» hat mit seinen handgezogenen, chinesischen «Biang Biang»-Nudeln in Zürich einen Senkrechtstart hingelegt. Statt sich aber auf den Lorbeeren auszuruhen, tüfteln Dianer Ding und Jonathan Barnes immer wieder an neuen Kombinationen. Ein Highlight war «Gar-lick-lick Mian»: Fünferlei Knoblauch, Knoblauch-Chiliöl sowie Tomaten sorgen für ganz viel Geschmack.
Wenn ich nach Nizza reise, gehört «Chez Davia» zu meinen Pflichtbesuchen. Küchenchef Pierre Altobelli, der den Familienbetrieb in der dritten Generation führt und bei Ducasse, Gagnaire, Alleno sowie im dreifach besternten «RyuGin» in Tokio gelernt hat, kocht vermeintlich Einfaches auf höchstem Niveau – mit einer technischen Präzision und einem geschmacklichen Feingespür, das mich jedes Mal aufs Neue beeindrucken kann. Dazu gehören auch die mit Mangold gefüllten Sardinen, lose umhüllt von etwas Paniermehl. Die Küche Nizzas ist ein Mix der französischen und italienischen, hat deshalb einen einzigartigen Charakter, der ausserhalb der Küstenstadt kaum zu finden ist.
Vierzig Gänge an einem Abend: Eine Anzahl, die ermüdend, repetitiv und langatmig klingt – aber nicht im «Ernst», wo die Gerichte mit einem Intellekt und technischer Versiertheit zubereitet sind, die sich trotzdem intuitiv und nie zu weit gesucht anfühlen. Ein Beispiel unter vielen: Grüne Bohnen mit Napfschneckenleber. Das «Ernst» ist leider Geschichte, Dylan Watson-Brawn unterstützt aber ab sofort das Team seines Restaurants Julius als Co-Küchenchef.
Beim Zweitrestaurant von «Ernst»-Küchenchef Dylan Watson-Brawn und seiner Partnerin Inga Krieger bleibt glücklicherweise alles beim Alten und wird 2025 gar noch besser. Ein Besuch lohnt sich zu jeder Tageszeit: Von morgens bis nachmittags gibts eine französische Omelette von Bar wie aus dem Bilderbuch von Barista und «Julius»-Mitinhaber Shoji Hara – optional auch mit Comté gefüllt.
Ein weiteres Restaurant, das ich von meiner «Bucket List 2024» abhaken kann: Das Restaurant «19 Saint Roch» von Pierre Touitou – eine der spannendsten Neueröffnungen des Jahres in Paris. Sein Kochstil baut auf der französischen Küche auf, schreckt aber nicht vor eigenwilligen Zutatencombos zurück, die wunderbar schmecken. Zwei Beispiele: Brunnenkressesuppe mit Foie gras oder Radicchio mit einer salzigen Sabayon aus Tosazu und Bergamotte sowie Saiblingsrogen.
«Mokonuts» ist einer der beliebtesten Lunch-Spots, längst kein Geheimtipp mehr und stets ausgebucht. Kein Wunder: Was Omar Koreitem aus der winzigen Küche schickt, ist hervorragend gekocht mit einfachen, aber erstklassigen, saisonalen Zutaten. Gleichzeitig ist seine Frau Moko Hirayama die Patissière des Hauses, bäckt täglich ihre weltberühmten Cookies sowie ausgezeichnete Torten und Tartes mit dem gewissen Extra an Geschmack.
Rund eine Autostunde ausserhalb von Paris befindet sich eines der vielversprechendsten jungen Restaurants Frankreichs. James Henry und Shaun Kelly haben mit «Le Doyenné» ihren «Farm-to-table»-Traum realisiert: Das Gemüse kommt aus dem eigenen Garten, Charcuterie von den eigenen Schwarzfussschweinen, die sich auf dem Gelände tummeln. Aber auch mit «fremden» Produkten weiss die Küche bestens umzugehen: Rotbarbe mit Kartoffeln an einer floral-fruchtigen Sauce aus «Habanada» – eine gezüchtete Habanero-Chilisorte, die null Schärfe aufweist. Mein Tipp: Zum Abendessen gleich noch eines der wunderschönen Gästezimmer samt Frühstück dazu buchen.
Das Restaurant Gamper in Zürich ist immer ein Besuch wert. Dank dem geradlinigen, unverkennbaren Kochstil. Dank dem kompromisslosen, konsequenten Fokus auf saisonale Zutaten aus der Region auf dem Höhepunkt ihrer Reife. Aber auch weil das Vier-Gänge-Menü immer wieder überraschen kann. Bestes Beispiel dafür war der gepresste Weisskabis aus dem Ofen mit einer hervorragenden «Cacio e pepe»-Sauce.
«Le Servan» ist seit zehn Jahren eine Top-Adresse in Paris, hat zudem den Bistronomie-Trend massgeblich mitgeprägt. Mit einem eleganten Mix aus französischer und ostasiatischer Küche hat das französisch-philippinische Geschwisterpaar Katia und Tatiana Levha über die Jahre eine ganz eigene Handschrift entwickelt und gefunden. Dazu gehörte auch dieses Rindstatar der Extraklasse à la «Le Servan» mit Gewürzwegerich und «Pho»-Jelly.
Pasta und Risotto lassen sich kaum besser kochen als im «Helly's» in Bern, nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Das gilt für die Evergreens auf der Karte: Spaghetti Cacio e pepe und Paccheri mit Tomaten-Butter-Sauce. Aber auch für das Risotto all'aragosta, dessen Reiskörner keine Sekunde zu lange gekocht waren. Eine Bisque aus edlen Langusten von den Gewässern um die Atlantikinsel Tristan da Cunha steuert dem Risotto zudem ein intensiver, komplexer, süsslicher Geschmack nach Meer bei.
Eine Auszeichnung, die längst überfällig war: «Akkee» hat kürzlich den ersten Michelin-Stern erhalten, hat sich so vom Geheimtipp zum Shootingstar der Food-Szene in Bangkok katapultiert. Das zeigt sich an den hochkarätigen Gästen, die plötzlich hin pilgern wie Drei-Sterne-Koch Mauro Colagreco («Mirazur») am Nachbartisch bei meinem letzten Besuch Anfang Dezember. Küchenchef und Inhaber Sittikorn Chantops lässt sich von alten Kochbüchern leiten, interpretiert die Rezepte dann aber auf ganz eigene Weise. Das Gericht, das mich dieses Mal besonders beeindruckt hat: Ein tiefgründiges rotes Thai-Curry mit Schweinebauch und junger, bissfester Durian, die keineswegs so polarisierend schmeckte wie ihre reife Artgenossin.