Text: Daniel Böniger I Fotos: Olivia Pulver
Schafft Silvio den Spagat? Die Problematik bei Kochkursen von Starchefs: Ob sie dabei die richtige Flughöhe finden. Manchmal lernt man Rezepte, die so kompliziert sind, dass man sie niemals daheim nachkochen wird. Oder aber die gezeigten Handgriffe sind so simpel, dass man eigentlich vor allem fürs obligate Selfie vor Ort war. Ob 18-Punkter Silvio Germann weiss, wie man die goldenen Mitte findet, wenn man eine Küchenlektion gibt? Eingeladen ins Restaurant Mammertsberg hat mich der Uhren-Brand Hublot - mal sehen, was ich an diesem Vormittag dort mitnehmen kann.
Wie bringt man den verflixten Apparat zum Laufen? Der Kochkurs beginnt, wie solche Kurse oft beginnen: mit dem Umbinden der Schürze. Und einem Gläschen Schaumwein, um die Stimmung zu lockern. Bloss ist es erst 10 Uhr morgens, und das Frühstück habe ich ausgelassen. So bin ich froh, dass wir sogleich zur Essenszubereitung schreiten: Wir backen «Airbread», wie es bei Andreas Caminada oder in den Ignivs gern serviert wird. Also gefüllte Brotkissen. «Weiss Andreas, dass Du uns das Rezept verrätst?», frage ich. Und Silvio Germann gibt schlagfertig zurück: «Ihr braucht es ihm ja auch nicht zu erzählen!» Mit der Kitchenaid bereiten wir den einfachen Teig zu; Mehl, Hefe, Salz, Wasser werden einige Minuten mit der Maschine geknetet - und fertig. Doch schon gebe ich mir die erste Blösse: Wie bringt man diesen verflixten Apparat zum Laufen? Offensichtlich bin ich der einzige Hobbykoch weit und breit, der kein derartiges Teil zu Hause hat.
Endlich Frühstück! Wenige Minuten später. Wieso wirkt Silvio Germann nervös, als wir die Teigquadrate und -dreiecke («Ihr dürft Euch ruhig kreativ ausleben!») in den Ofen schieben? Er verrät, dass gut vierzig Prozent der Airbreads beim Backen nicht aufgehen. Doch wir haben Glück, sechs Minuten später stechen wir mit einem Messerchen Löcher in die Unterseite der Kissen, und füllen sie mit Rindstatar. Doch, mit diesem warmen «Gruss aus der Küche» kann ich bei der nächsten Einladung sicher brillieren. Ein Stück nach dem anderen verschwindet in meinem Mund. Jetzt habe ich endlich was im Bauch - und kann einen zweiten Schluck des Schaumweins trinken.
Grosse Messer, heisses Öl & Thermomix. Damit bin ich parat für die Artischocken, wohlgemerkt, das Lieblingsgemüse meiner Gattin. Ich passe also jetzt besonders gut auf! Stiel abknicken. Mit dem Brotmesser quer halbieren und den Stielansatz abtrennen. Rundherum Blätter und grüne Stellen entfernen. Mit einem Parisienne-Ausstecher das Haar herauslösen. Rein in den Sud damit, bevor die Artischockenböden ganz braun werden! Eine Zwischenbilanz? Es gibt Kochkurse, wo die Teilnehmer sich auf verschiedene Posten aufteilen - bei Silvio Germann im «Mammertsberg» ist das glücklicherweise anders. Jede(r) darf mittun! Und zwar volle Kanne: Mit den grossen Messern, mit kochend heissem Öl, mit dem Thermomix. Einmal mehr frage ich mich, wie genau die Maschine angeht.
Lange Fingernägel sind doch nützlich! Die beschriebenen Artischocken brauchen wir für ein Fischgericht. Zusammen mit luftgetrockneten Tomaten, deren Zubereitung wir ebenso lernen. Und den Rotbarbenfilets, wie ich sie auch schon bei Starchef Peter Knogl in Basel gesehen habe: Der Fisch wird dafür filetiert - wie ein Messer funktioniert, weiss ich wenigstens. Die Schuppen werden einzeln aufgestellt, was der Kursteilnehmerin mit den langen Fingernägeln besser gelingt als mir. Schliesslich übergiesst man diese Filets mit kochend heissem Öl, was doppelte Wirkung zeigt: Die aufgestellten Schuppen werden schön knusprig. Und der Fisch ist perfekt glasig gegart. Vollendet wird das Gericht mit Krustentierschaum, den Germann vorbereitet hat. «Wir müssen ja nicht wissen, wie der geht. Haben wir ja eh alle zu Hause im Kühlschrank!», witzeln wir Teilnehmer. Und doch sind wir am Ende stolz, dass wir praktisch alles auf dem fertigen Teller selbst zubereitet haben.
Anders geregelt am heimischen Herd: der Abwasch. Ob ich von der Lektion im Mammertsberg kochtechnisch profitiert habe? Bloss zwei Tage später stehe ich daheim in meiner Küche und koche Artischocken im Sud, die ich dann für meine Frau in Gläsern einmache. Es ist ein wenig aufwändiger als bei Silvio Germann - weil ich die Zutaten selber abwägen muss. Und mir niemand am Ende den Abwasch abnimmt. Abgesehen davon, muss ich konstatieren: Das war mal ein Kochkurs, der genau meine Flughöhe getroffen hat.