Dilettantisch vielfältig. No-Bullshit-Küche! So habe ich den Kochstil von Vincent Klink mal umschrieben. In Stuttgart betreibt der bodenständige Küchenchef das Restaurant Wielandshöhe, wo ich ihn vor mittlerweile neun Jahren besucht habe. Ich erinnere mich genau: Er empfing mich in einem plus minus beichtstuhlgrossen Kabäuschen in der Nähe der Küche. Am Haken hing seine Kochjacke. Wanderschuhe standen unter seinem Stuhl. Auf dem Tisch lag ein Jazzmagazin. Seiner vielen Interessen wegen bezeichnete er sich selbst während unseres Gesprächs damals als «dilettantisch vielfältig».
Instrumente im Liegen spielen? Notabene: Meine Visite fand während des laufenden Mittagsservices statt. Was Klink allerdings nicht zu stören schien: «Ich höre, wenn draussen etwas schief geht», meinte der damals 66-Jährige gelassen Zu dieser Zeit zählte Fliegenfischen und Motorradfahren zu seinen Hobbys. Ob er seine Maschine noch immer regelmässig ausfährt? Die Basstrompete, auf der er damals täglich übte, hat er nämlich inzwischen durch eine Mandoline ersetzt. Weil man letztere auch im Sitzen spielen kann. «Leider konnte ich bislang kein Instrument finden», so Klink, «mit dem man im Liegen musizieren kann.»
Wider die Trends! Woher ich diese Anekdote kenne? Sie steht in Vincent Klinks «Tagebuch 2018-2024», das der Schwabe aus Überzeugung jüngst im Selbstverlag herausgegeben hat. Und das ich an dieser Stelle zur Lektüre empfehle. Man schmunzelt immer wieder, etwa am Ende des Eintrags vom 23. August 2019: «Viele überprüfen dauernd, ob ihr Äusseres dem Trend entspricht. Ich bemühe mich heftig, dass mein Inneres nicht dem Trend entspricht.» Ein Denksportler, dieser Klink! Und plötzlich, ungefähr bei den Zeilen am 23. Oktober 2019 («Erfreulich, es besuchen uns kaum mehr die Geiz-ist-geil-Beladenen...»), realisiert man, dass die ganz dicke Post ja erst noch auf den Küchenchef zukommt: Corona. In Deutschland war der Lockdown noch heftiger als hier in der Schweiz.
Tod von Ehefrau Elisabeth. Wohlgemerkt, der sympathische Koch, der früher auch im deutschen Fernsehen («ARD Buffet», u.a.) zu sehen war, kann schon traurig werden: Im Sommer 2022 muss er von seiner geliebten Ehefrau den allerletzten Abschied nehmen, mit welcher er während rund 50 Jahren zusammen war. Er tut es in diesem Tagebuch mit viel Würde. Und ist vor allem nur dankbar für all die Zeit, die er mit Elisabeth hatte: «Sie hielt mich Wirrkopf in der Spur und letztlich habe ich viel von ihr gelernt.»
Süffig und mit Fortsetzung. Pointierte Gedanken, rustikale Rezepte, scharfe Kommentare zur Ernährung und Gastronomie: Vincent Klink, vom deutschen GaultMillau 2021 zum «Gastronom des Jahres» ausgezeichnet, liefert viel süffige Lektüre für Freundinnen und Freunde der Kulinarik. Nur wenige Tage lag das Buch auf meinem Nachttisch. Und als ich die letzte Seite des zerlesenen Werks umgeblättert hatte, habe ich mich unweigerlich gefragt, wie es denn Herrn Klink jetzt im April 2024 so geht. Und besuchte die Homepage der «Wielandshöhe»: Mit Freude konnte ich feststellen, dass das Tagebuch dort weitergeführt wird.
«… ich alter Knochen». Eine kleine Passage gefällig aus seinem Eintrag vom 10. April, in dem der Chef über die Auswüchse der (ab-) gehobenen Gastronomie schreibt? «Ich fühle mich sauwohl, schaue mir alles aus der Ferne an. Ich weiss aber auch, dass junge Leute sich anders verhalten müssen als ich alter Knochen. Ich war auch mal jung und ahnungslos, als ich glaubte, einen tiefergelegten Mercedes fahren zu müssen. Ohne Fehler, kein Leben, entscheidend ist, dass man an diesen nicht festklebt und sie womöglich wiederholt.» Wie schon angedeutet: Drumherumeiern ist Vincent Klinks Sache nicht!