Fotos: Sedrik Nemeth
LUFTKUR FÜRS SÄULI. Im Winter gibt die Sonne täglich nur ein kurzes Gastspiel in Simplon-Dorf VS. Über Mittag übersteigt sie für wenige Stunden die umliegenden 4000-er Gipfel und lässt die Eiskristalle, die im ewigen Wind hier oben auf 1476 Höhenmetern tanzen, wie Diamantstaub glitzern. Die reine, klare Höhenluft und die Landschaft mit Tannen- und Lärchenwäldern sind gute Verbündete von Fabian Molinari (grosses Bild oben), 50, der mitten im Dorf Trockenfleisch, Salami, Schinken und Coppa zur Genussreife bringt. «Fleischveredler» nennt er seine Tätigkeit – zu Recht, seine Walliser Spezialitäten sind von herausragender Qualität, von Slow Food Presidio geehrt.
Jagdtrophäen, Weinregale, Ristorante. Molinaris Fleischtrocknerei ist im historischen Haus Clemenz aus dem Jahr 1715 untergebracht, einer ehemaligen Offiziersunterkunft. Vor zehn Jahren erwarb er das baufällige Haus, drinnen hat er vieles eigenhändig umgebaut. Nur der Schriftzug Molinari Sempione an der schlichten, grauen Fassade deutet auf das hin, was sich dahinter verbirgt. Das Erdgeschoss beherbergt eine Küche, klein, aber professionell ausgestattet, und ein gemütliches Ristorante voller Jagdtrophäen und Weinregale, wo Molinari Kurse im Fleischtrocknen gibt und Gästegruppen auf Vorbestellung bekocht. Das Metier Koch/Diätkoch hat er im Spital in Brig erlernt. Die Berufswahl lag in seinen Genen, führten seine Eltern doch viele Jahre das Hotel Post in Simplon-Dorf. Nach Lehr- und Wanderjahren und dem Militärdienst bei den Gebirgsspezialisten arbeitete er – ganz der Bergler – im Pistenrettungsdienst, als Skilehrer-Instruktor und 22 Jahre als Grenzwächter, bevor er mitsamt Familie für vier Jahre nach Moskau zog, wo er für das EDA als Visa-Sachbearbeiter tätig war. «Russland war eine tolle Erfahrung. Unter anderem auch wegen der Elch-Jagd», schwärmt der Walliser Weidmann.
SALZ, HOLZ, ZEIT. Seit fünf Jahren widmet er sich ganz seiner Passion, der Veredelung und Haltbarmachung von Fleisch. Dabei setzt Molinari, der sich dem Tierwohl verpflichtet fühlt, ganz auf traditionelles Handwerk, dem Einsalzen und Lufttrocknen. Ein matchentscheidender Vorteil, wenn man wie er hohe Qualitätsansprüche hat. Die Basis guter Endprodukte sind natürlich die Tiere, ihre Haltung und Fütterung. Molinari schwört auf Kräuterschwein. Bei diesem Label werden die Sauen tiergerecht gehalten und mit Kräutern im Futter aufgezogen. Die Kräuter schützen das Fleisch vor Oxidation, es verliert beim Lagern und Kochen weniger Wasser und hat einen aromatischen Geschmack, ausserdem einen geringeren Fettanteil. Molinari kauft bei Gelegenheit auch bei den Bauern in der Umgebung Schafe oder Eringer Kühe, den Löwenteil seiner Produktion machen aber die Kräuterschweine aus. Rund sieben Tonnen Fleisch verarbeitet er pro Jahr. Im ersten Stock seines Domizils hängen denn auch 300 Rohschinken, sorgsam in Baumwollsäcke gehüllt, die seine Mutter massgefertigt näht. Nachdem die Schinken zwölf bis fünfzehn Tage im Salz gelegen haben, kommen sie hier in den Trockenraum.
Der nadeldünne Pferdeknochen. Das 300-jährige Gebäude mit seinen Holzböden und -decken ist ideal für die Lagerung. «Für die Edelschimmelbildung brauchts Holz», erklärt Molinari. Das Klima von rund 4 Grad und 74 Prozent Luftfeuchtigkeit erzielt er allein mit Lüften. «Fenster auf, Fenster zu – so einfach!» Zwei Jahre lang hängen die Schinken hier, einige sind mit Trüffel aromatisiert. Mit einem nadeldünnen Stück Pferdeknochen, das er ins Fleisch steckt, prüft der Meister regelmässig die Reifung. «Ein altes Instrument, aber unübertroffen. Weil es leicht porös ist, bleiben die Fasern gut dranhängen. Meine Nase sagt mir, ob alles in Ordnung», erklärt der Experte. Die viereckigen, langen Klötzchen gleich daneben sind Trockenfleisch aus Rind. Im Raum nebenan lagern Speck, Coppa und Salami, der in drei Sorten angeboten wird: den klassischen, dem mit Trüffelaroma und den Salami Zia Serena, nach einem alten Rezept einer italienischen Tante, auf das Molinari besonders stolz ist.
Molinaris FANCLUB. Molinaris Spezialitäten gibt es nicht nur vor Ort, sondern auch online oder im Laden in Brig zu kaufen, den Fabians Eltern Sergio und Lydia führen. Er beliefert ausserdem die Walliser Winzer Germanier in Vétroz, Marx in Termen und Varonier in Varen, den Stockalperhof in Brig, das Bellerive in Zermatt, den Badner Keller in Leukerbad, das Ritz Gädi in Belp, die Wystube Isebähnli in Zürich sowie das Direktions-Restaurant von Rolex in Genf. Am besten munden die Fleischspezialitäten aber am Tisch von Chef Fabian im Simplon-Dorf. Winters in gemütlichen Stübli beim Ofen, sommers draussen im Gärtli vor dem Haus, wo der Chef am Grill steht und im alten Lötschentaler Ofen mit Lärchenspänen Turtmanner Raclette-Käse kalträuchert. Und mit Verve seinen Gästen jede Frage, die man zum Thema Fleisch hat, beantwortet.
>> www.molinarisempione.ch
>> www.schweizerfleisch.ch
>> www.kraeuterschwein.ch
Fleisch aus der Schweiz ist von hoher Qualität. Grund dafür sind strenge Gesetze und die natürlichen Ressourcen. Die Schweizer Fleischproduktion hebt sich von derjenigen im Ausland ab. Das betrifft Betriebsgrössen, Haltung, Fütterung und Rassen. Auch bei Themen wie Tierwohl und Tierschutz geht die Schweiz einen Sonderweg.