Text: Kathia Baltisberger | Fotos: Olivia Pulver
Mega-Ansturm. Émile Jeannenot hat in den vergangenen drei Wochen über 4000 Baguettes geformt und gebacken. Denn der Ansturm auf die echte französische Boulangerie und Pâtisserie «Juliette» am Bleicherweg und am Vulkanplatz war gross. Vor allem die französische Community ist auf das Angebot aus der Heimat angesprungen. Aber auch die Zürcherinnen und Zürcher stehen auf Backwaren und testen neue «Player» in der Stadt sofort aus. Juliettes Bestseller unter den Broten ist das Baguette. Die Weissbrotstange ist innen luftig mit grossen Blasen, aussen schön knusprig. Chef-Bäcker Émile erklärt das Geheimnis hinter dem perfekten Baguette. Step by Step.
Die Zutatenliste für ein Baguette ist überschaubar: Wasser, Mehl, Salz und Hefe. Émile ergänzt das Mise en Place allerdings um eine weitere Komponente. Er verwendet für sein Baguette Sauerteig. «Ein französisches Baguette wird nicht zwingend mit Sauerteig gemacht. Aber ich mag einfach den Geschmack», erklärt der 22-Jährige. Émiles Sauerteig blubbert in einem grossen Kübel vor sich hin. Seit zwei Jahren hegt und pflegt er ihn, füttert ihn täglich mit Wasser und Bio-Mehl. Einen Namen hat er dem Sauerteig aber nicht gegeben. «Juliette würde Sinne machen, n’est pas?» Trotz Sauerteig verwendet Émile auch eine Kleinstmenge an Hefe. «Die Hefe unterstützt den ganzen Prozess.»
Natürlich kann man für das Mehl ein herkömmliches Weissmehl verwenden. Für die «Juliette»-Baguettes verwendet Émile aber ein traditionelles, französisches Mehl vom Type T65 aus einer Mühle in der Region Saint-Étienne. Das ist ein spezielles Mehl für französische Brote. «Ich bin überzeugt, dass das Getreide in Frankreich eine andere Qualität hat. Ich sage nicht, dass es besser ist. Aber es ist anders. Am Ende ist es Geschmacksache», sagt der Franzose.
Émile Jeannenot fertigt zunächst einen Vorteig aus Mehl und Wasser. Diesen lässt er bis zu einer Stunde ruhen. Erst dann kommen Salz, Sauerteig und die Hefe dazu. In der Backstube macht Émile jeden Tag zehn Portionen Teig à sieben Kilogramm. Geknetet werden solche Mengen natürlich in den grossen Maschinen. Zuhause kann man das auch von Hand machen, wenn man keine Küchenmaschine hat. Danach muss der Teig sehr lange ruhen. Zuerst bei Raumtemperatur, danach über Nacht im Kühlschrank. Vom Vorteig bis zum Backen dauert der Vorgang also rund 24 Stunden. «Das ist das Geheimnis: die Zeit», erklärt Émile. «Der Teig muss lange gären und das muss ich als Bäcker respektieren.»
Der Arbeitstag eines Bäckers beginnt früh. Um 3 Uhr morgens steht Émile in der Backstube und verarbeitet den Teig weiter. Zunächst portioniert er den Teig und formt ovale Teiglinge. Die lässt er nochmals gehen. Erst dann formt er sie in die typische Baguette-Form: Émile drückt den Teig flach, faltet die eine Seite der Länge nach ein und drückt den Teig mit dem Handballen fest. Den Vorgang wiederholt er, sodass eine längliche «Wurst» entsteht. «Man muss den Teig sorgfältig behandeln und nicht zu viel Druck geben. Der Teig soll schön rund sein, aber nicht zu kompakt.» Was dann kommt, ahnen Sie sicherlich: Ruhe. Das Baguette muss während rund eineinhalb Stunden in einem Leinentuch liegend nochmals aufgehen.
Kurz bevor die Baguettes in den Ofen kommen, werden sie mit einer scharfen Rasierklinge länglich eingeschnitten. Émile backt die Baguettes während rund 20 Minuten bei 245 Grad. Das Resultat ist - das perfekte Baguette! Damit das auch zu Hause funktioniert, hat Émile einen Tipp: «Am besten backt man das Baguette auf einem Pizzastein.» Obwohl das Baguette verlockend duftet, sollte man warmes Brot nicht sofort aufschneiden. Übrigens: Bei «Juliette» weiss man, dass Geschmäcker verschieden sind. Zögern Sie also nicht, direkt nach einem etwas helleren oder dunkleren Baguette zu fragen – ganz nach Ihrer persönlichen Vorliebe.